Ernährung im ersten Lebensjahr

Ernährung im ersten Lebensjahr

Dr. Benedikt Brixius

Dr. Benedikt Brixius

Niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Homburg und Pressesprecher des Berufsverbandes der saarländisches Kinder- und Jugendärzte.

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Fragen rund um die Ernährung vor dem 1. Geburtstag

Wie Sie einen optimalen Ernährungsplan aufstellen

Welche Milch brauchen Babys im ersten Lebensjahr? Ab wann können sie Brei essen? Was gehört alles auf den Speiseplan? Diese und weitere Fragen rund um die Ernährung vor dem 1. Geburtstag erläutert Kinderarzt Dr. Benedikt Brixius.

Zecke

Die ersten 4 Monate: Muttermilch

Die beste Ernährung des Säuglings ist am Anfang die Muttermilch. Alternativ steht Pre-Milch aus der Flasche zur Verfügung (siehe Infos weiter unten). Muttermilch bietet alles, was das Kind braucht, und deckt auch den Flüssigkeitsbedarf. Die Zusammensetzung der Muttermilch ist ideal an die kindlichen Bedürfnisse angepasst und liefert dem Baby die für Wachstum und gesunde Entwicklung wichtigen Nährstoffe. Muttermilch ist hygienisch einwandfrei und optimal temperiert. Sie ist praktisch, weil in Anwesenheit der Mutter immer verfügbar. Sie entlastet die Eltern auch finanziell. Muttermilch versorgt die Säuglinge mit Leihantikörpern der Mutter, die das Baby vor Infektionen wie z. B. Mittelohrentzündungen, insbesondere Magen-Darm Entzündungen, besser schützen. Diese Tatsache zeigt sich z. B. bei der Säuglingssterblichkeit in den Entwicklungsländern, die bei gestillten Kindern viel niedriger ist. Muttermilch hat sogar positive Auswirkungen auf die Gesundheit im Erwachsenenalter, z. B. das metabolische Syndrom (Bluthochdruck, Blutgefäßverkalkung etc.). Gestillte Kinder haben im Erwachsenenalter ein niedrigeres Risiko, eine Fettleibigkeit zu entwickeln.

Eine Mutter stillt ihr Baby

Insbesondere wird durch Stillen die emotionale Bindung zwischen Mutter und Kind hervorragend unterstützt. Müttern sollte daher unmittelbar nach der Geburt der Hautkontakt mit dem Baby ermöglicht werden. Idealerweise erfolgt das erste Anlegen an die Brust innerhalb der ersten zwei Stunden nach der Geburt. Die Stillhäufigkeit richtet sich nach dem Bedarf des Kindes. In den ersten Lebenswochen wird die Mehrzahl der Kinder zehn bis zwölfmal in 24 Stunden angelegt. Bei nicht idealer Gewichtszunahme kann es notwendig sein, das Kind zu einer Stillmahlzeit zu wecken. Wenn das Baby gut trinkt, wird in der Regel in fünf Minuten 90 Prozent der Brust „ausgetrunken“. Zu langes Anlegen macht also wenig Sinn: Nicht langes Anlegen fördert die Milchproduktion, sondern das Immer-wieder-Anlegen. Zudem kann zu langes Anlegen zu Entzündungen der Brustwarze führen und die Mutter körperlich erschöpfen. Bei Stillproblemen (Milchstau, Entzündung) können Hebammen oder Stillberaterinnen am besten mit Rat helfen.

Stillen wirkt sich auch positiv auf die Gesundheit der Mutter aus: Die Rückbildung der Gebärmutter wird durch einen raffinierten hormonellen Mechanismus gefördert. Die Mutter hat ein niedrigeres Risiko, Brust- oder Eierstockkrebs zu entwickeln. Daher unterstützen alle Geburtskliniken, Hebammen und wir Kinder- und Jugendärzte diese Ernährungsform.

Ernährung der Mutter in der Stillzeit:

Mütter sollten sich gesund ernähren, genug trinken (mindestens 1,5 Liter) und Jodsalz verwenden, ansonsten ist keine spezielle Diät notwendig. Regelmäßiger Genuss von Fisch hat sich als vorteilhaft herausgestellt. Eine rein vegane Ernährung ist dagegen gefährlich, da die Kinder dadurch unter anderem zu wenig Vitamin B12 bekommen und sich dieser Mangel auf die neurologische Entwicklung negativ auswirken kann. Die Mutter müsste in diesem Fall die fehlenden Vitamine und Spurenelemente z. B. in Tablettenform einnehmen und sich über Blutkontrollen die ausreichende Höhe bestätigen lassen, was teuer (keine Kassenleistung) und aufwendig ist. Ich sehe hier vor allem auch eine unnötige Belastung des Kindes, denn jede Blutentnahme, die im Säuglingsalter bei den feinen Venen nicht immer einfach ist, ist ein unangenehmer Schmerzreiz. Eine vegetarische Ernährung der Mutter muss ausreichend pflanzliches Eisen enthalten.

Baby mit Flasche

Flasche geben statt stillen

Auch wenn alles getan wird, damit die Mutter stillt, ist es nicht jeder Mutter gegönnt, stillen zu können. In dieser Situation stehen Pulvermilche zur Verfügung, die auf Kuhmilchbasis aufgebaut sind. Im 19. Jahrhundert waren es erst Mehlspeisen. Der deutsche Kinderarzt Finkelstein hat die ersten Regeln zur Säuglingsernährung aufgestellt, dadurch die Säuglingssterblichkeit drastisch reduziert und damit eine lange Entwicklung angestoßen. Die Milche sind aufgrund intensiver Forschung, die immer noch nicht abgeschlossen ist, in den letzten Jahrzehnten stetig verbessert worden. Neuerungen betreffen den Proteingehalt in der Milch: Er nimmt in der Muttermilch in den ersten Lebensmonaten stetig ab, in den bisherigen Säuglingsmilchen allerdings zu. Diese Tatsache wirkt sich auf ein späteres Fettleibigkeitsrisiko aus. Menschliche Oligosaccharide (Kohlenhydrate) der Muttermilch fördern die Besiedelung des Darms mit gesunden Darmbakterien. Bestimmte Oligosaccharide, die mit den menschlichen strukturidentisch sind, stehen jetzt erst in ausreichender Menge zur Verfügung. Diese neuen Erkenntnisse haben den Aufbau der Pulvermilche bezüglich Qualität und Quantität deutlich verbessert. Bei all den Verbesserungen, die vielleicht auch noch dazukommen werden, werden die Pulvermilche nie an die Qualität der Muttermilch herankommen können.

Die Anfangsmilch ist die Pre-Milch. Folgemilche sind dann die I-er, II-er und Kindermilch. Die beiden letzteren sind in der Regel nicht nötig. Die Pre-Milch kann im ganzen ersten Lebensjahr (erst Voll-, dann Teilernährung mit den Breien) verwendet werden. Sie ist der Konsistenz der Muttermilch am ähnlichsten. Auf eine I-er Nahrung wird nur umgestellt, wenn das Baby offensichtlich kein langes Sättigungsgefühl hat (regelmäßig weniger als zwei Stunden zwischen den Milchmahlzeiten). Die I-er Nahrung ist konsistenter und hat zusätzliche Kohlenhydrate, allerdings erhöht sich auch die Verstopfungsgefahr.

Die Pre-Milch steht auch hypoallergen (Pre-HA-Milch) zur Verfügung. Diese sollte im ersten Lebenshalbjahr gewählt werden, wenn ein Elternteil aus dem Formenkreis Allergien, Asthma oder Neurodermitis erkrankt ist. Hypoallergene Milch scheint vorteilhaft für diese Kinder bezüglich der Entwicklung oder Ausprägung einer Allergie zu sein. Mit Einführung der Breikost kann dann auf eine normale Säuglingsmilchnahrung umgestellt werden.

Sollte sich bei dem Säugling eine Kuhmilchallergie herausstellen, so stehen hochhydrolysierte bzw. auf Aminosäurebasis aufbauende Milche zur Verfügung. Bei sehr seltenen Stoffwechselerkrankungen kann auch eine besondere Spezialmilch notwendig sein. Frühgeborene bekommen anfangs auch eine spezielle „Frühchenmilch“, wenn Muttermilch nicht zur Verfügung steht.

Breikost für Babys

Breikostaufbau

Mit dem vollendeten 4. Lebensmonat darf, ab dem vollendeten 6. Lebensmonat sollte mit Breikost begonnen werden. Monat für Monat ersetzt eine Breikost eine Milchmahlzeit. Idealerweise bekommt der Säugling im ersten Lebensjahr als Milch nur die Muttermilch (Teilstillen), was sogar das Risiko reduziert, eine Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) zu entwickeln.

BreiBeschreibung
1. Brei:
Gemüse-Kartoffel-Fleisch/Fisch-Brei gegen Mittag
Start löffelweise mit rundkantigem Plastiklöffel. Als erstes Gemüse z. B. Frühkarotten, Kürbis oder Pastinaken. Zugesetzt wird ein Esslöffel raffiniertes Rapsöl, damit die fettlöslichen Vitamine (ADEK) im Darm überhaupt aufgenommen werden können. Bei guter Verträglichkeit kommt dann als Kohlenhydrat Kartoffel (möglich auch Reis oder Nudeln) hinzu. Schließlich wird Fleisch bzw. Fisch zugesetzt. Dies sollte drei- bis fünfmal pro Woche sein. Als Fleisch wird mageres, gekochtes, püriertes Biofleisch empfohlen, angereichert mit etwas Obstsaft, damit durch das Vitamin C die Eisenaufnahme möglichst optimal erfolgt. Eisen ist ein sehr wichtiger Bestandteil der roten Blutkörperchen, damit Sauerstoff zum Transport zu den Zellen gebunden werden kann.
2. Brei:
Vollmilch-Getreide-Brei abends
Wünschenswert ist ein Vollkorn-Getreidebrei ohne Zuckerzusatz. Als Getreide eignen sich Hafer-, Dinkel- oder Weizenflocken. Als Milch kann gerne abgepumpte Muttermilch verwendet werden. Möglich sind auch Pulvermilch oder sogar bis zu 200 ml 3,5 % Bio-Kuhmilch aus dem Kühlregal (keine H-Milch!). Auch hier sollte ein passender Plastiklöffel verwendet werden. Die Breiflasche ist für das Kind zwar praktisch, aber ein gestilltes Kind sollte erst gar nicht an eine Flasche gewöhnt werden. Außerdem fördert die Verwendung des Löffels die Mundmotorik und hat damit sogar einen positiven Einfluss auf die Sprachentwicklung.
3. Brei:
Getreide-Obst-Brei am Nachmittag
Auch hier sollte Vollkorn als Getreide verwendet werden. Abwechslung bei der Auswahl des Obstes macht den Brei interessanter, z. B. Apfel, Birne, Pfirsich, Aprikose und Banane, aber eher nur eine Obstsorte verwenden, kein „Obstsalat“. Auch hier Rapsöl zusetzen.

Manche Babys sind ganz wild auf die Breie und ersetzen schon nach zwei bis drei Wochen eine Milchmahlzeit, manche brauchen dafür fünf bis sechs Wochen. Das ist jedem Kind überlassen. Grundsätzlich sollte das Kind nicht zum Essen gezwungen werden. Es zeigt meistens sehr deutlich, wann es satt ist (Kopf wegdrehen, nur noch mit Brei spielen etc.). Ein gesundes Kind verhungert nicht vor vollen Töpfen!

Zum Brei kann Wasser oder Tee angeboten werden. Auch hier zeigt das Baby, ob es überhaupt Durst hat, und sollte nicht gedrängt werden. Die Breie beinhalten per se natürlich recht viel Flüssigkeit.

Sind alle Breie erfolgreich eingeführt, darf das Baby zunehmend am Tisch mitessen, was oft gegen Ende des ersten Lebensjahres der Fall ist. Aber Vorsicht: nur wenig Salz verwenden (zu viel Salz ist auch für uns Erwachsene nicht gesund) und nicht zu scharf würzen (hier kann jeder sich selbst nachwürzen). Manche Kinder tun sich auch noch mit dem Schlucken größerer Stücke schwer. Hier muss das Essen länger püriert werden, damit das Kind sich nicht verschluckt!

Es gibt Kinder, die Breie nicht besonders mögen, aber früh am Tisch mitessen möchten. Bei diesen ist wohl das Geschmacksempfinden schon sehr früh ausgebildet (bei Geburt schmeckt ein Baby nur süß). Wenn die Menge ausreichend ist und alle notwendigen Nahrungsbestandteile gegessen werden, ist nichts dagegen einzuwenden.

Baby isst

Alternativer Kostaufbau: Baby-led Weaning

Beim sogenannten Baby-led Weaning (vom Baby gesteuerte Entwöhnung von der Muttermilch) soll das Kind von Anfang an selbstbestimmt essen. Ein gesundes Essverhalten werde später im Leben gefördert. Statt Brei erhält das Kind eine Auswahl von Fingerfood als erste Beikost (kein Brei), das sich auch ohne Zähne essen lässt. Instinktiv soll das Kind zu Lebensmitteln greifen, deren Nährstoffe es gerade braucht. Durch frühes selbstbestimmtes Essen lerne das Kind von Anfang an, wann es satt ist und was ihm guttut. Wer sich auf Baby-led Weaning einlässt, muss damit rechnen, dass ein Großteil des Essens auf dem Fußboden landet. Auch dauert das Essen deutlich länger als per Löffel verabreicht. Damit das Kind sicher satt wird, sollte in der Übergangsphase immer zusätzlich Milch angeboten werden. Meine Kritik an dieser Ernährungsform: Wenn das Baby doch zu wenig isst, besteht die Gefahr einer Mangelernährung, gerade bei nicht püriertem Fleisch (drohender Eisenmangel). Zudem besteht Aspirationsgefahr (Verschlucken) bei den Kindern, deren Schluckkoordination noch nicht ausreichend entwickelt ist. Es mag Kinder und Eltern geben, die mit diesem Kostaufbau gut fahren. Insgesamt möchte ich aber den klassischen Weg empfehlen: Man ist bezüglich optimalem Gedeihen des Kindes in jedem Fall auf der sicheren Seite.

Tipp

Empfehlungen für Sie:

Kostenlose Smartphone App „Baby und Essen“ der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung.

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Literatur: Monatsschrift Kinderheilkunde, Säuglingsernährung und Ernährung der stillenden Mutter, Koletzko et.al., 3/2013

Unsere Gesundheitskooperation

Dr. Benedikt Brixius

Dr. Benedikt Brixius

Dr. Brixius ist niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Homburg. Seine Ausbildung zum Facharzt absolvierte er in der Kinderklinik Rüsselsheim und Universitätskinderklinik Homburg. Seit 2001 ist er in eigener Praxis niedergelassen. 2003 erfolgte eine Weiterbildung zum Arzt für Homöopathie. Dr. Brixius ist Pressesprecher des Berufsverbandes der saarländisches Kinder- und Jugendärzte.

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KVS und Globus Gesundheitskooperation

Kassenärztliche Vereinigung Saarland

Dieser Beitrag ist im Rahmen der Gesundheitskooperation zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland und GLOBUS entstanden. Jeden Monat finden Sie als Weltentdecker unter der Rubrik "Gesundheit & Ernährung" einen aktuellen Beitrag von Fachärzten zu relevanten Themen rund um die Gesundheit Ihres Kindes.

Weitere Gesundheitsinformationen finden Sie direkt bei der Kassenärztlichen Vereinigung.

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