Ernährung ohne Stress

Ernährung ohne Stress

Bernhard Ulrich

Bernhard Ulrich

Niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Saarbrücken.

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Welche Ernährung braucht mein Kind?

Was Eltern wissen sollten

Ernährung ist immer wieder ein heiß diskutiertes Thema: Ist der Mittagsbrei für mein Kind ok? Was kann ich tun, wenn mein Kitakind nur trockene Nudeln essen will? Kinder- und Jugendarzt Dr. Bernhard Ulrich gibt wertvolle Hinweise und vermittelt hilfreiche Strategien für den Familienalltag – egal ob mit Kleinkindern oder Jugendlichen.

„Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“ das ist für mich das richtige Motto! Essen und Trinken sollte Freude machen, es sollte genossen werden als ein alltäglich wiederkehrendes gemeinsames Ereignis in der Familie. Und das von Anfang an! Egal, ob Sie als Mutter stillen oder die Flasche füttern, versuchen Sie dies im Kreis der Familie zu tun. Nehmen Sie sich Zeit und Ruhe dazu.

Junge isst Obst

Mitessen vom Tisch

Wenn dann das kleine Kind etwa im vierten Monat ist, wird es sicher Interesse an dem zeigen, was Sie da essen. Geben Sie ihm etwas von Ihrem Teller, was es kauen und schlucken kann. Versuchen Sie nicht, von Anfang an über „gesund“ oder „allergen“ etc. nachzudenken. Das, was Sie essen, wird Ihrem Kind bekommen! Natürlich gibt es hier Dinge, die nicht gehen: ganze Nüsse oder Erdnüsse, Kebap extrascharf usw. – aber eigentlich sind diese Einschränkungen selbstverständlich. Ab dem sechsten Monat kann Ihr Kind auch die meisten Gewürze vertragen und etwas Salz (soweit Sie das nicht übertreiben).

Muss es Brei sein? Wahrscheinlich nicht, es gibt viele andere erfolgreiche Ansätze. Aber, Brei ist möglich und schnell zubereitet. Denken Sie daran, auch Babybrei sollte schmecken! Niemand mag gekochte Pappe. Wenn die Mutter oder der Vater heimlich den Brei des Kindes isst, haben Sie alles richtig gemacht.

Versuchen Sie im ersten Lebensjahr alle Grundnahrungsmittel einzuführen, lassen Sie möglichst nichts aus, was später in Ihrer Familie auch gegessen wird! Inzwischen wissen wir, dass Allergien sehr viele Ursachen haben und eher entstehen, wenn wir Grundnahrungsmittel zu spät einführen. Also, alles in Maßen probieren! Verzichten würde ich – bei kleinen Kindern so lange wie möglich – auf alle zusätzlich gesüßten Nahrungsmittel; diese kommen früher, als Ihnen als Eltern lieb ist. Natürlich darf es Süßes geben, aber möglichst in Form von Obst und Fruchtsüße.

Wenn es in Ihrer Familie eine besondere Idee zur Ernährung gibt (Vegane Ernährung, frugan, etc.), fragen Sie Ihre/n Kinder- und Jugendärztin/arzt.

Tipp

Versuchen Sie, Ihre Kinder, wenn immer möglich, bei den Vorbereitungen, beim Kochen und Backen zu beteiligen. Versuchen Sie, so oft als möglich, Essen aus den natürlichen Grundlagen zu bereiten und wenig Fertigprodukte zu nutzen. Ein selbst gebackener Kuchen ist deutlich besser und ein anderes Erlebnis für Kinder als ein gekaufter (den es natürlich auch geben kann). Und alle Kinder lieben es, in diesem Alter selbst zu kochen und zu backen. Wenn es die Zeit und Situation hergibt, lohnt es sich, dies z. B. mit einem entsprechenden Kinderkochbuch auch zu tun. Natürlich ist das nur in Einzelfällen möglich.

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Familie beim Essen

Rituale rund ums Essen

Gerade im Kleinkindalter sind Regeln und Rituale wichtig. Vielleicht gibt es in Ihrer Familie auch noch zur Hauptmahlzeit ein kleines Ritual, ein Gebet, einen Spruch oder einfach nur das gemeinsame „Guten Appetit“. Es gibt viele interessante Untersuchungen, dass diese Kleinigkeiten „gesund“ erhalten, ein gesundes Essverhalten fördern.

Ist das Kind größer und haben Sie eventuell mehr Kinder, sollten Essenszeiten soweit möglich gemeinsam erfolgen. Versuchen Sie diese Zeiten zu Zeiten des familiären Austausches zu machen, Zeiten für die Familie! Wenn möglich sollte es dann dazwischen keine „Zwischenmahlzeiten“ geben. Versuchen Sie, Wartezeiten usw. nicht mit Essen und Trinken zu füllen, niemand „verhungert“ im Bus oder Wartezimmer. Dadurch vermeiden Sie, ein falsches Essverhalten anzubahnen, was später bei Jugendlichen leider sehr häufig ist. Nehmen Sie lieber ein Spiel für diese Situationen mit.

Essenszeiten sollten zum Essen und zum Gespräch miteinander dienen. Aus meiner Sicht sinnvoll: Wer nicht mehr essen mag, muss das nicht, sollte aber sitzen bleiben, bis alle fertig sind (gilt auch für Erwachsene). Am Tisch sollte nicht gespielt werden und auch bei den Größeren und Erwachsenen das Handy wegbleiben. Kein Kind isst besser, wenn es ein Video sieht oder im Spiel gefüttert wird (kein Erwachsener sollte am Tisch mit Kindern Chats beantworten etc.).

Mädchen mag kein Gemüse essen

Was tun, wenn mein Kind sehr wählerisch ist?

Viele Eltern sind unsicher, wenn ihre Kinder klein und zierlich sind und spärlich essen. Leider gibt es dann auch von der Umwelt mehr oder weniger „gute Ratschläge“. Kümmern Sie sich nicht darum. Lassen Sie einmal von Ihrer/m Kinder- und Jugendärztin/arzt abklären, ob es eventuell einen medizinischen Grund gibt. Wenn alles ok ist, tun Sie nichts, warten Sie. Auch, wenn Ihr Kind zu den Kindern gehört, die sehr ausgewählt essen, machen Sie nichts, außer regelmäßig auch die Dinge zu geben, die Ihr Kind isst. Irgendwann wird auch dieses Kind offener und neugieriger. Einen „Mangel“ bei diesen Kindern habe ich in langer Erfahrung als Kinder- und Jugendarzt nie gesehen! Lassen Sie sich und allen Familienmitgliedern nicht die Freude am Essen verderben, thematisieren Sie dieses Verhalten so wenig wie möglich. Keine „gutgemeinten“ Zwischenmahlzeiten oder „Leckereien“, auch nicht durch die Großeltern (deren ich selber inzwischen einer bin). Gegessen werden sollte zu den Essenszeiten für alle, sonst möglichst nicht.

Neue Gewohnheiten von Teenagern

Im Jugendalter ist vieles „aus dem Ruder“. Grämen Sie sich nicht, wenn alle Regeln jetzt fallen und Sie das Gefühl haben, pädagogisch versagt zu haben. Uns allen geht oder ging es so. Jetzt sind auch bei der Ernährung Toleranz, Zutrauen zu den Ressourcen Ihrer, Ihres Jugendlichen und Liebe zu Ihrem Kind die wichtigsten Voraussetzungen, dass später auch hier wieder „Ruhe“ einkehrt. Macht Ihnen das Essverhalten der Jugendlichen Sorge, fragen Sie Ihre/n Kinder- und Jugendärztin/arzt.

Gerade im Jugendalter kommt zum Essen auch ein starkes moralisches Verhalten dazu. Zwar essen viele Jugendliche viel Süßigkeiten und Fastfood. Aber genauso viele machen sich Sorgen um die Umwelt und Tierwelt und tendieren dadurch zur vegetarischen oder veganen Ernährung; eventuell möchten sie auch Nahrungsmittel „retten“. Soweit möglich, gehen Sie darauf ein und bleiben Sie im Gespräch. Oft sind diese Gedanken auch eine Bereicherung für Ihren Speiseplan. Diskutieren Sie die dahinterstehenden Ideen offen und tolerant. Jugendliche sind unglaublich idealistisch und möchten wahrgenommen werden. Die Lebenserfahrung zeigt, dass der Realismus früher oder später kommt. Hatten Sie in der Kleinkinderzeit ein Essritual, haben Sie jetzt gute Ausgangsbedingungen für das Gespräch, denn hinter jedem dieser Rituale steckt ja auch der Respekt vor den Ressourcen der Natur, um die es diesen Jugendlichen geht.

Tipps zum Schluss

Was sollten Sie vielleicht bei der Ernährung mit Kindern und Jugendlichen generell beachten? Niemand in Europa braucht Nahrungsergänzungsmittel! Diese können durchaus schaden, eigentlich nicht nutzen. Wenn Sie doch dazu tendieren, besprechen Sie das vorher mit Ihrer/m Kinder- und Jugendärztin/arzt. Zusätzliche Vitamine und Eisen etc. nur nach ärztlicher Anordnung!

Versuchen Sie, so oft wie möglich, regionale Produkte zu verwenden. Zwar hat eine Ananas aus Afrika viele Vitamine. Aber dort unreif geerntet und transportiert, sind diese doch nicht so viele wie gedacht. Ein regional reif geernteter Apfel ist hier die bessere Wahl.

Wenn es Ihre Zeit und Kraft zulässt, kochen Sie aus den frischen Zutaten mit und für Ihre Kinder. Natürlich muss es im alltäglichen Leben auch mal „schnell“ gehen, dann sind Fertigprodukte ein echter Segen (z. B. ein fertiger Brei im Gläschen). Aber die Regel sollte es nicht sein. Auch sinnvoll: keine unnötigen Süßigkeiten, z. B. an der Kasse im Supermarkt.

Und: Nicht jedes Bauchweh Ihres Kindes ist ein Symptom einer Unverträglichkeit oder Zöliakie. Diese sind aktuell bei uns eine echte „Mode“, real aber unverändert selten! Lassen Sie das immer gut ärztlich abklären, bevor Sie eine Diät einführen. Meistens sind Bauchschmerzen Symptom eines seelischen Zustandes im Kindesalter, Bedürfnis nach Zuwendung, Stress im Kindergarten oder der Schule, Ängste usw.

Junge trinkt Wasser

Was gilt beim Trinken?

Möglichst nur Wasser zum Trinken verwenden. In Deutschland auch Leitungswasser. Was viele nicht wissen, neben dem deutschen Reinheitsgebot für Bier gibt es dies auch für Brot und Leitungswasser. Dieses muss keimfrei und frei von Giften sein. Es ist überall verfügbar und kostengünstig. Süße Limonade, auch in „Bio“, ist ein wesentlicher Faktor für Übergewicht im Kindesalter und eine echte Falle! Das Gleiche gilt für Fruchtsäfte.

Ihr Kind trinkt zu wenig? Wahrscheinlich nicht. Lassen Sie sich die gewichtsbezogene Menge einmal von Ihrem/r Kinder- und Jugendärztin/arzt berechnen. Nicht mit Saft oder Limo „locken“, das bringt gar nichts.

Unsere Gesundheitskooperation

Bernhard Ulrich

Bernhard Ulrich

Bernhard Ulrich ist niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Saarbrücken, selbst inzwischen mehrfacher Großvater. Ausbildung als Facharzt Anästhesiologie und Kinderanästhesiologie, später Facharzt Kinder- und Jugendmedizin an verschiedenen Kliniken, so an der Universität Witten-Herdecke und in der Kinderklinik Kohlhof, Neunkirchen/Saar.

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KVS und Globus Gesundheitskooperation

Kassenärztliche Vereinigung Saarland

Dieser Beitrag ist im Rahmen der Gesundheitskooperation zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland und GLOBUS entstanden. Jeden Monat finden Sie als Weltentdecker unter der Rubrik "Gesundheit & Ernährung" einen aktuellen Beitrag von Fachärzten zu relevanten Themen rund um die Gesundheit Ihres Kindes.

Weitere Gesundheitsinformationen finden Sie direkt bei der Kassenärztlichen Vereinigung.

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