Bernhard Ulrich
Niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Saarbrücken.
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Ernährung ist immer wieder ein heiß diskutiertes Thema: Ist der Mittagsbrei für mein Kind ok? Was kann ich tun, wenn mein Kitakind nur trockene Nudeln essen will? Kinder- und Jugendarzt Dr. Bernhard Ulrich gibt wertvolle Hinweise und vermittelt hilfreiche Strategien für den Familienalltag – egal ob mit Kleinkindern oder Jugendlichen.
„Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“ das ist für mich das richtige Motto! Essen und Trinken sollte Freude machen, es sollte genossen werden als ein alltäglich wiederkehrendes gemeinsames Ereignis in der Familie. Und das von Anfang an! Egal, ob Sie als Mutter stillen oder die Flasche füttern, versuchen Sie dies im Kreis der Familie zu tun. Nehmen Sie sich Zeit und Ruhe dazu.
Versuchen Sie, Ihre Kinder, wenn immer möglich, bei den Vorbereitungen, beim Kochen und Backen zu beteiligen. Versuchen Sie, so oft als möglich, Essen aus den natürlichen Grundlagen zu bereiten und wenig Fertigprodukte zu nutzen. Ein selbst gebackener Kuchen ist deutlich besser und ein anderes Erlebnis für Kinder als ein gekaufter (den es natürlich auch geben kann). Und alle Kinder lieben es, in diesem Alter selbst zu kochen und zu backen. Wenn es die Zeit und Situation hergibt, lohnt es sich, dies z. B. mit einem entsprechenden Kinderkochbuch auch zu tun. Natürlich ist das nur in Einzelfällen möglich.
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Im Jugendalter ist vieles „aus dem Ruder“. Grämen Sie sich nicht, wenn alle Regeln jetzt fallen und Sie das Gefühl haben, pädagogisch versagt zu haben. Uns allen geht oder ging es so. Jetzt sind auch bei der Ernährung Toleranz, Zutrauen zu den Ressourcen Ihrer, Ihres Jugendlichen und Liebe zu Ihrem Kind die wichtigsten Voraussetzungen, dass später auch hier wieder „Ruhe“ einkehrt. Macht Ihnen das Essverhalten der Jugendlichen Sorge, fragen Sie Ihre/n Kinder- und Jugendärztin/arzt.
Gerade im Jugendalter kommt zum Essen auch ein starkes moralisches Verhalten dazu. Zwar essen viele Jugendliche viel Süßigkeiten und Fastfood. Aber genauso viele machen sich Sorgen um die Umwelt und Tierwelt und tendieren dadurch zur vegetarischen oder veganen Ernährung; eventuell möchten sie auch Nahrungsmittel „retten“. Soweit möglich, gehen Sie darauf ein und bleiben Sie im Gespräch. Oft sind diese Gedanken auch eine Bereicherung für Ihren Speiseplan. Diskutieren Sie die dahinterstehenden Ideen offen und tolerant. Jugendliche sind unglaublich idealistisch und möchten wahrgenommen werden. Die Lebenserfahrung zeigt, dass der Realismus früher oder später kommt. Hatten Sie in der Kleinkinderzeit ein Essritual, haben Sie jetzt gute Ausgangsbedingungen für das Gespräch, denn hinter jedem dieser Rituale steckt ja auch der Respekt vor den Ressourcen der Natur, um die es diesen Jugendlichen geht.
Was sollten Sie vielleicht bei der Ernährung mit Kindern und Jugendlichen generell beachten? Niemand in Europa braucht Nahrungsergänzungsmittel! Diese können durchaus schaden, eigentlich nicht nutzen. Wenn Sie doch dazu tendieren, besprechen Sie das vorher mit Ihrer/m Kinder- und Jugendärztin/arzt. Zusätzliche Vitamine und Eisen etc. nur nach ärztlicher Anordnung!
Versuchen Sie, so oft wie möglich, regionale Produkte zu verwenden. Zwar hat eine Ananas aus Afrika viele Vitamine. Aber dort unreif geerntet und transportiert, sind diese doch nicht so viele wie gedacht. Ein regional reif geernteter Apfel ist hier die bessere Wahl.
Wenn es Ihre Zeit und Kraft zulässt, kochen Sie aus den frischen Zutaten mit und für Ihre Kinder. Natürlich muss es im alltäglichen Leben auch mal „schnell“ gehen, dann sind Fertigprodukte ein echter Segen (z. B. ein fertiger Brei im Gläschen). Aber die Regel sollte es nicht sein. Auch sinnvoll: keine unnötigen Süßigkeiten, z. B. an der Kasse im Supermarkt.
Und: Nicht jedes Bauchweh Ihres Kindes ist ein Symptom einer Unverträglichkeit oder Zöliakie. Diese sind aktuell bei uns eine echte „Mode“, real aber unverändert selten! Lassen Sie das immer gut ärztlich abklären, bevor Sie eine Diät einführen. Meistens sind Bauchschmerzen Symptom eines seelischen Zustandes im Kindesalter, Bedürfnis nach Zuwendung, Stress im Kindergarten oder der Schule, Ängste usw.
Bernhard Ulrich
Bernhard Ulrich ist niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Saarbrücken, selbst inzwischen mehrfacher Großvater. Ausbildung als Facharzt Anästhesiologie und Kinderanästhesiologie, später Facharzt Kinder- und Jugendmedizin an verschiedenen Kliniken, so an der Universität Witten-Herdecke und in der Kinderklinik Kohlhof, Neunkirchen/Saar.
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