Neurodermitis

Neurodermitis

DR. CARMEN WAHLEN

DR. CARMEN WAHLEN

Kinder- und Jugendärztin mit der Spezialisierung Kinder-Pneumologie und Allergologie in einer Gemeinschaftspraxis in Homburg/Saar.

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Neurodermitis bei Kindern

Ursachen, Symptome und Behandlung

Rund 10 bis 15 Prozent aller Säuglinge und Kleinkinder leiden unter Neurodermitis. Damit ist sie die häufigste chronische, nicht ansteckende Hauterkrankung. Was sind typische Symptome und wie sollten Eltern damit umgehen? Dr. Carmen Wahlen klärt auf.

Neurodermitis ist eine in Schüben verlaufende, entzündliche Hauterkrankung, die häufig von einem quälenden Juckreiz begleitet wird. Bei ungefähr 30 Prozent der Kinder verringern sich die Symptome im Laufe der Jahre und verschwinden schließlich ganz. Die Neurodermitis wird auch als atopische Dermatitis bezeichnet. Die typische Effloreszenz (Hauterscheinung) ist das Ekzem: eine entzündliche, trocken-schuppige Veränderung der Haut.

Nicht jede Hautveränderung ist gleich eine Neurodermitis. Wenn verdächtige, juckende Hautveränderungen jedoch immer wieder auftreten, sollten Sie sich an Ihren Kinder- und Jugendarzt wenden.

Kind mit Neurodermitis

Beschwerden

Typischerweise zeigen betroffene Kinder im 3.–4. Lebensmonat Hautveränderungen mit Rötungen, Nässen und starkem Juckreiz. Durch den Juckreiz und die damit verbundene Beeinträchtigung des Schlafes sind die Kinder häufig schlecht gelaunt und quengelig. Bei Säuglingen sind v. a. das Gesicht und der Körperstamm betroffen. Durch den Juckreiz werden häufig der Kopf und der Körper an der Unterlage gerieben. Mit etwa einem halben Jahr können die Kinder gezielt kratzen, was zu einer zusätzlichen Hautreizung führt und die Haut weiter verschlechtern kann. Bei älteren Kindern sind zudem die Kniekehlen, die Ellenbeugen, der Hals sowie Füße oder Hände betroffen.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnose Neurodermitis kann durch charakteristische Hautveränderungen an den typischen Hautstellen gestellt werden. Hilfreich ist auch der Hinweis, dass enge Familienangehörige ebenfalls an einer atopischen Erkrankung wie Neurodermitis, Allergien oder Heuschnupfen leiden.

Neurodermitis bei einem Baby

Ursachen und Auslöser

Die Ursachen der Neurodermitis sind nicht eindeutig geklärt. Als wesentlicher Faktor gilt jedoch eine angeborene, genetische Veranlagung. Das Erkrankungsrisiko eines Kindes ist bei ebenfalls an Neurodermitis erkrankten Eltern deutlich erhöht. Zusätzlich spielen Umweltfaktoren, Infekte oder belastende Ereignisse eine Rolle.

Einer Neurodermitis liegt eine gestörte Hautbarriere zugrunde. Durch Fehlen von bestimmten Lipiden (Fettstoffe) ist der Zusammenhalt der Hautzellen gestört. Es kommt zu Feuchtigkeitsverlust und Austrocknen der Haut. Hierdurch ist die Schutzfunktion der Haut gestört, Bakterien oder auch Allergieauslöser können in die Haut eindringen und eine Entzündung hervorrufen. Der Hautzustand wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Nahrungsmittelallergien, wie z. B. gegen Ei oder Milch, liegen bei 30 Prozent der Kinder vor. Säurehaltige Nahrungsmittel, aber auch Allergien gegen Hausstaub, Pollen oder Tierhaare können ebenfalls die Haut beeinflussen. Vermehrtes Kratzen, starkes Schwitzen, psychische Belastungen, Stress oder Tabakrauch haben ebenfalls einen Einfluss auf die Haut.

Da die Auslöser bei jedem Kind unterschiedlich sind, muss individuell genau hingeschaut werden. Es können allergische und nichtallergische Auslöser vorliegen. Zur weiteren Eingrenzung ist eine genaue Beobachtung durch Sie als Eltern notwendig.

Wie ist der Verlauf?

Eine Neurodermitis kann in jedem Alter auftreten. Häufig beginnt sie im Säuglingsalter und verläuft in Schüben. Es gibt Phasen mit mehr oder weniger Hautauffälligkeiten. Nicht für jeden Neurodermitis-Schub kann ein konkreter Auslöser gefunden werden. Ab dem 2. Lebensjahr kommt es häufig zu einer Verbesserung des Hautbildes. Nicht selten bleibt eine Neigung zur trockenen Haut zurück und es besteht ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Asthma oder Heuschnupfen.

Allergietest bei Kindern

Diagnostik

Leider gibt es keine Laboruntersuchung, mit der man zweifelsfrei die Diagnose einer Neurodermitis stellen kann. Fällt Ihnen nach der Aufnahme eines Nahrungsmittels, während des Pollenflugs oder bei Kontakt Ihres Kindes zu einem Haustier eine Verschlechterung der Haut auf, kann eine Allergie vorliegen. Die Durchführung eines Allergietestes kann hier sinnvoll sein. Ein Allergietest kann als Hauttest, sog. Pricktest, durchgeführt werden. Hierbei werden verdächtige Allergenlösungen oder auch Nahrungsmittel auf die Haut aufgebracht und danach die Haut mit einer speziellen Lanzette angestochen. Bei dem Vorliegen einer Allergie entsteht eine kleine Quaddel. Alternativ kann durch die Bestimmung von speziellen Allergieantikörpern (IgE) im Blut ein Allergietest durchgeführt werden, wenn der Hautzustand keine Untersuchung auf der Haut zulässt.

Aber Achtung! Das positive Ergebnis eines Allergietests beweist noch nicht das Vorliegen einer relevanten Allergie. Es zeigt lediglich an, dass das Immunsystem mit einem entsprechenden Allergen Kontakt hatte und der Körper sich gegen dieses Allergen sensibilisiert hat. Ob eine solche Sensibilisierung auch wirklich allergische Symptome oder eine Hautverschlechterung herbeiführt, muss bei Nahrungsmitteln durch einen Auslass- und einen anschließenden erneuten Provokationsversuch überprüft werden. Dieses sollte aber nicht im Alleingang, sondern durch einen allergologisch erfahrenen Arzt durchgeführt werden. Bei zu erwartenden schweren Reaktionen müssen solche Provokationen im Krankenhaus durchgeführt werden. Ziel ist es, unnötige Diäten auf dem Boden reiner Verdachtsdiagnosen zu vermeiden.

Komplikationen

Durch starke Hautveränderungen werden häufig die sozialen Kontakte einer Familie reduziert und können zu einer Belastung von Kind und Eltern führen. Auch ist die Haut bei Neurodermitis anfälliger für Infektionen mit Bakterien und Viren. Infektionen mit Bakterien, wie z. B. mit Staphylokokken, können zu Rötung, Nässen und gelblichen Krusten der Haut führen. Dellwarzen oder eine Infektion mit Herpes- oder Windpockenviren führen auf neurodermitischer Haut oft zu einem besonders massiven Befall der Haut.

Eine einseitige Ernährung durch zweifelhafte Diäten, die zuweilen von fachlich nicht kompetenter Seite empfohlen werden, kann zu Mangelerscheinungen und Wachstumsstörungen führen. Daher sollte die Notwendigkeit einer Auslassdiät immer durch einen Arzt festgelegt werden

Therapie

Leider gibt es für die Behandlung der Neurodermitis nicht die „Wunder-Therapie“. Von Ihnen als Eltern muss viel Geduld mitgebracht werden. Eine schnelle und dauerhafte Heilung gibt es nicht. Seien Sie kritisch, wenn Ihnen das von „Experten“ versprochen wird, insbesondere wenn dies mit teuren Therapien auf eigene Kosten verbunden ist. Unter Berücksichtigung des individuellen Krankheitsverlaufes Ihres Kindes wird Ihr Arzt mit Ihnen einen vernünftigen Therapieplan festlegen. Dabei kann es hilfreich sein, ein Beschwerdetagebuch zu führen, um eventuelle Auslöser aufzudecken und diese bei der Therapie zu berücksichtigen.

Therapieformen

Die Hautpflege sollte regelmäßig in einer angenehmen Atmosphäre durchgeführt werden, unabhängig vom Baden und Duschen. Je nach Hautzustand kommen unterschiedliche Cremes und Inhaltstoffe zum Einsatz. Der Bedarf an Fett und Feuchtigkeit ist abhängig vom Zustand der Haut und von der Jahreszeit. Prinzipiell kann man sagen, dass eine trockene Haut viel Fett braucht, im Gegensatz zu einer entzündlichen, geröteten Haut. Im Winter wird man eher zu „fetteren“ Salben-Zubereitungen raten, im Sommer eher zu „feuchteren“ und Lotionen. Je nach aktuellem Hautzustand kann es besser sein, Ihr Kind zu duschen als zu baden. Das Badewasser sollte max. 35 Grad warm sein und die Badedauer nicht mehr als 10 Minuten betragen. Klares Wasser ist in der Regel ausreichend, um Salbenreste, Schmutz und Schweiß zu entfernen. Je nach Verträglichkeit können rückfettende Zusätze oder pH-neutrale Seifen verwendet werden. Beim Abtrocknen sollte die Haut nicht zu stark gerieben, sondern abgetupft werden.

Starkes Kratzen führt zu noch mehr Juckreiz und zieht häufig eine Verschlechterung der Haut nach sich. Regelmäßiges Eincremen wirkt dem entgegen und mindert den Juckreiz. Überwärmung sollte vermieden werden, z. B. durch zu warme Kleidung oder überhitzte Räume. Das Tragen eines speziellen Neurodermitisanzugs, von Baumwollhandschuhen oder das Kürzen von Fingernägeln hilft, Verletzungen durch starkes Kratzen zu vermeiden. Bei quälendem Juckreiz versuchen Sie, Ihr Kind abzulenken oder bieten Sie Kratzalternativen wie das Beklopfen der Haut oder das Benutzen von Kratzklötzchen an. Das Kühlen der Haut mit Coolpads oder Verwendung von gekühlten Cremes bringt auch Linderung.

Verwenden Sie möglichst glatte, saugfähige Materialien aus Baumwolle oder Viskose und bevorzugen Sie nicht zu enganliegende Kleidung. Das Tragen der Nähte nach außen („auf links“) und das Heraustrennen von Etiketten vermindern Hautreizungen. Kleidungsstücke sollten vor dem ersten Tragen gewaschen werden.

Je nach Hautzustand sollte eine angepasste Basistherapie erfolgen. Hierunter ist das regelmäßige Auftragen einer stabilisierenden Hautpflege zu verstehen. Es kann erforderlich sein, mehrere Produkte auszutesten, bis das passende Produkt für die Haut Ihres Kindes gefunden ist. Der Fettgehalt in den Pflegemitteln steigt in folgender Reihenfolge an: Lotion – Creme – Salbe – Öl. Eine Anreicherung der Haut mit Feuchtigkeit kann durch Zusatzstoffe wie Glycerin (Babys) oder auch Harnstoff (ab Kleinkindalter) erreicht werden. Ölbäder können die Basistherapie ergänzen, aber nicht ersetzen.

Sofern erforderlich, werden zusätzlich zur Basispflege verschiedene, ärztlich verordnete Wirkstoffe zum Einsatz gebracht. Der Hautzustand sollte von Ihrem Arzt durch Beurteilungsskalen, wie z. B. den Entzündungsindex SCORAD, im Verlauf beurteilt werden.

Zusätzliche Wirkstoffe mit spezieller Wirkung können sein:

  • wasserbindend und hautglättend: Harnstoff (ab Kleinkindalter)
  • juckreizhemmend: Polidocanol oder Menthol
  • entzündungshemmend: Kaliumpermanganat, Farbstoffe (Eosin), Antibiotika, Virostatika, Zinkoxid, Eichenrinde, Tannine, Schwarztee, Schieferölzubereitungen
  • stark entzündungshemmend: Cortison, Tacrolimus, Pimecrolimus
  • Die Entscheidung über den Einsatz der verschiedenen Wirkstoffe und die Anwendungsdauer erfolgt je nach Hautzustand, Alter des Kindes, betroffenem Hautbereich und bestehendem Juckreiz in Absprache mit dem Arzt. Kombiniert fett-feuchte Wickel können die Wirkung der Lokaltherapie verstärken.

    Bei ausgeprägtem Juckreiz kann auch der Einsatz von Antihistaminika erfolgen. Sie wirken teilweise beruhigend und unterschiedlich stark auf den Juckreiz. Bei bakteriellen Infektionen ist die Gabe von Antibiotika erforderlich. Bei sehr schwerer Neurodermitis kann die Einnahme von stark entzündungshemmenden Medikamenten wie Cortison, Cyclosporin A oder die Gabe von IgG4-Antikörpern (Dupilumab) erforderlich sein.

    Ergänzend werden bundesweit Schulungsprogramme der Arbeitsgemeinschaft Neurodermitisschulung (AGNES) angeboten. Hier wird Familien geholfen, mit der Erkrankung umzugehen. Die Kosten für eine solche Schulung werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen.

    Mutter stillt ihr Baby

    Ernährung und Prävention

    Wenn in den Familien eines Paares allergische Erkrankungen bekannt sind, sollten werdende Eltern sich bereits vor der Geburt ihres Kindes über präventive Maßnahmen informieren.

    Sofern dies möglich ist, sollte ein Baby in den ersten vier Monaten ausschließlich gestillt werden. Sollte Stillen nicht möglich sein, können Sie alternativ eine sogenannte hypoallergene Säuglingsnahrung (Pre-HA-Milch) verwenden. Dies kann das Risiko für die Entwicklung einer Neurodermitis deutlich reduzieren. Nach dem 4. Lebensmonat kann mit der Beikost (Löffelkost) begonnen werden. Ob bei hohem Allergierisiko vor Einführung der Beikost ein Allergietest notwendig ist, sollten Sie mit Ihrem Kinderarzt besprechen.

    Die Ernährung kann altersentsprechend und ausgewogen erfolgen, solange keine Einschränkung durch bestehende Nahrungsmittelallergien vorliegt. Meiden Sie säurehaltige Nahrungsmittel (z. B. Zitrusfrüchte), da diese die Haut reizen können. Um Mangelerscheinungen zu vermeiden, sollten nur medizinisch notwendige Diäten durchgeführt werden. Lassen Sie sich in diesem Fall durch Ihren allergologisch erfahrenen Arzt oder eine Fachkraft beraten.

    Eine regelmäßige Hautpflege mit qualitativen Produkten wird sich, selbst bei normaler Haut, immer positiv auswirken. Zur Vermeidung einer Allergie-Entstehung sollten keine felltragenden Tiere neu angeschafft werden. Jugendliche mit Neurodermitis sollten vor der Berufswahl eine Beratung in Anspruch nehmen. „Feuchtberufe“ (z. B. Stukkateur, Friseur etc.) sollten insbesondere bei Neigung zu Handekzemen vermieden werden.

    Tipp

    Wo gibt es weitergehende Informationen?

    Kostenfreie Elternratgeber rund um Neurodermitis veröffentlicht die Gesellschaft für pädiatrische Allergologie.

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    Unsere Gesundheitskooperation

    DR. CARMEN WAHLEN

    DR. CARMEN WAHLEN

    Dr. Carmen Wahlen ist Kinder- und Jugendärztin mit der Spezialisierung Kinder-Pneumologie und Allergologie in einer Gemeinschaftspraxis in Homburg/Saar.

    Sie besitzt die Befähigungen einer Asthma- und Neurodermitis-Trainerin und ist als Dozentin für Pädiatrie an der Universität des Saarlandes (UKS Homburg) tätig.

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    KVS und Globus Gesundheitskooperation

    Kassenärztliche Vereinigung Saarland

    Dieser Beitrag ist im Rahmen der Gesundheitskooperation zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland und GLOBUS entstanden. Jeden Monat finden Sie als Weltentdecker unter der Rubrik "Gesundheit & Ernährung" einen aktuellen Beitrag von Fachärzten zu relevanten Themen rund um die Gesundheit Ihres Kindes.

    Weitere Gesundheitsinformationen finden Sie direkt bei der Kassenärztlichen Vereinigung.

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