Sie kann uns zu Tränen rühren oder zu sportlichen Hochleistungen motivieren, unsere Konzentration stärken oder uns zum Tanzen bringen. Doch Musik kann noch viel mehr! Wir klären auf, welchen Einfluss Musik auf unser Gehirn hat und bringen Sie mit ein paar Hör-Malheuren zum Singen.
Im Jahr 1993 veröffentlichte die wissenschaftliche Fachzeitschrift Nature eine Studie, in der einige Studenten der University of California räumliche Aufgaben besser lösten, wenn sie zuvor zehn Minuten einer Klaviersonate von Mozart lauschten. Die Nachricht „Musik macht schlauer“ machte als sogenannter Mozart-Effekt in Windeseile die Runde. Bald darauf erhielten Mütter aus Georgia zur Geburt ihres Kindes Mozart-CDs. In Florida gab es sogar das Gesetz, dass jeder Kindergarten täglich klassische Musik spielen sollte. Heute ist der Mozart-Effekt umstritten, da ähnliche Versuche die Annahme nicht bestätigen konnten. Doch auch wenn Musik uns nicht im wahrsten Sinne des Wortes „intelligenter“ macht, ist klar: Das Hören von Musik und das Musizieren können – vor allem bei jungen Menschen – die Entwicklung fördern. Denn durch das gleichzeitige Drücken der Klaviertasten oder Zupfen der Gitarrensaiten, das Einhalten des Taktes, das Lesen der Noten und das Achten auf die anderen Musiker oder den Dirigenten wird unser Gehirn auf sehr komplexe Weise gefordert. Das schafft beim Musizierenden eine intensive Verbindung von Fühlen, Hören, Sehen, Bewegen, aber auch Imagination und Kreativität. So können Studien zufolge musikalisch geschulte Kinder Gefühle wie Traurigkeit, Fröhlichkeit, Angst oder Ärger sicherer identifizieren. Auch das Musikhören fördert die Konzentration und hilft beim Einschlafen, wie uns Musikpsychologe und Neurowissenschaftler Stefan Kölsch erzählt. Im Interview verrät er uns, warum er sogar die Entwicklung der Menschheit positiv von Musik beeinflusst sieht. Damit gehört Kölsch zu der großen Gruppe von Wissenschaftlern, die die wichtige Bedeutung der Musik für den Menschen erkannt haben. Musiktherapeuten entwickeln seit einiger Zeit Therapien, die dabei helfen, Schmerzen zu lindern, Erinnerungen von Demenz-Patienten wiederaufleben zu lassen oder Tinnitus zu mildern. Sie können sogar Schlaganfallpatienten dabei helfen, ihre Koordinationsfähigkeiten wiederzugewinnen.
Wir können durch die gesamte Entwicklung eines Menschen hindurch positive Effekte durch Musik beobachten. Schon direkt nach der Geburt können Babys beruhigt werden, wenn Eltern ihnen ein sanftes Lied vorsingen. Wiegen- und Spiellieder fördern die emotionale und soziale Entwicklung der Kleinen. Kindergartenkinder schulen mit Musik ihre Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, ihr Gedächtnis, ihre senso-motorischen Fähigkeiten, ihre Emotionen und ihre soziale Entwicklung. Denn ganz entscheidend ist, dass wir Musik oft gemeinsam erleben, in Gruppen musizieren oder singen. Das betrifft natürlich auch Erwachsene.
Musik fördert das intelligente Denken. Man darf das nicht so verstehen wie manche Eltern, die sagen: „Jetzt habe ich meinem Kind klassische Musik vorgespielt und es hat in Mathe trotzdem keine besseren Noten bekommen.“ Aber es gibt aktuelle Studien darüber, dass Übungen mit Klängen und Rhythmen bei Lern- und Lesestörungen helfen. Auch bei autistischen Kindern werden solche Therapien angewandt.
Wir können Musik bewusst nutzen, um unsere Emotionen zu regulieren – unsere Stimmung aufzuhellen, uns zu beruhigen, besser einzuschlafen, Konzentration zu fördern. Sie kann uns aber auch beim Sport antreiben oder in Partystimmung versetzen. Gerade Spaß ist ein wichtiger Aspekt, denn positive Emotionen sind sehr wichtig für unsere Gesundheit.
Studien haben ergeben, dass unser Gehirn sich plastisch verändert, wenn wir Musik machen. Dabei zeigt sich, dass die Gehirne insbesondere von Amateur-Musikern durch neurochemische Prozesse jünger bleiben als bei Nicht-Musikern. Der Grund ist mal wieder die Freude, die das Musizieren beschert, gerade wenn es zum Spaß und ohne großen Leistungsdruck geschieht. Denn dabei wird das Spaßhormon Dopamin ausgeschüttet, ähnlich wie übrigens beim Tanzen auf Musik oder beim gemeinsamen Singen.
Ja! Und vor allem kann sie auch bei neurologischen Erkrankungen wie Alzheimer oder Schlaganfall helfen. Betroffene erinnern sich durch bekannte Klänge zum Beispiel plötzlich wieder an Dinge und nach Schlaganfällen kann durch entsprechende Therapieformen das Sprechen wieder möglich werden. Auch Bewegungsstörungen, wie bei Parkinson, können durch Übungen auf Musik gelindert werden.
Musik ist seit jeher Teil der menschlichen Kultur und fördert das Gemeinschaftsgefühl, den sozialen Zusammenhalt und das freundschaftliche und faire Miteinander. Gerade die gegenseitige Unterstützung ist evolutionär sehr wichtig. Das sieht man auch bei Jugendlichen, die sich über Musik mit anderen solidarisieren und einer Gruppe zugehörig fühlen. Es geht aber noch weiter: In meinem Buch schreibe ich von der Endurance Expedition des Polarforschers Ernest Shackleton, dessen Schiff 1915 in der Antarktis festfror. Es war so kalt und aussichtslos, dass die Crew lieber sterben wollte, als weiter zu leben. Als jedoch einer der Mitreisenden mit seinem Banjo spielte, gewannen sie ihren Lebensmut zurück. Die Expedition haben alle überlebt. Musik hilft, durchzuhalten und harte Zeiten zu überstehen.
Unmusikalische Menschen? Gibt es laut Stefan Kölsch nicht. Denn Musik ist Teil unserer Natur und das Hirn ist automatisch an ihr interessiert.
Wir haben ein paar Songklassiker für Sie, die oft falsch verstanden werden. Kannten Sie die wahre Bedeutung?
Das denkt man sich beim eingängigen und stolzen Rhythmus des Songs Born In The USA. Doch hier führen Melodie und Songtext in die Irre, denn statt amerikanischem Optimismus und Patriotismus singt Bruce Springsteen über die Enttäuschung eines Vietnam-Veteran bei der Rückkehr in sein Heimatland. 1984 verwendete Ronald Reagan den Song sogar für seinen Präsidentschaftswahlkampf – und gewann.
Auch wenn man das schnell glauben möchte, aber die Inspiration für den Beatles-Song „Blackbird“ aus dem Jahre 1968 war keine verletzte Amsel. Der Vogel steht symbolisch für die dunkelhäutige Bevölkerung der USA und die antirassistische Bürgerrechtsbewegung.
An der neurologischen Klinik der Charité in Berlin wurde ein Berufs-Cellist untersucht, der an einer schweren Form von Amnesie leidet. Während er keine Erinnerungen an Freunde und Verwandte mehr hat, kann er wie gewohnt Noten lesen und Cello spielen. Diese Erkenntnis legt nahe, dass das Musikgedächtnis zumindest zu Teilen unabhängig vom Hippocampus ist, dem Ort, an dem Gedächtnisinhalte gespeichert werden.
Manchmal hören wir einfach, was wir hören wollen. Ist ja auch viel lustiger.
SNAP – The Power
Aus „I got the power“ wird „Agathe Bauer“.
PAUL MCCARTNEY – Hope Of Deliverance
„Hope of deliverance“ wird zu „Hau auf die Leberwurst!“.
NEK – Laura Non C’è
Was eigentlich „Mi manca da spezzare“ heißt, wird zu „Niemand kann das bezahlen!“.
HOT CHOCOLATE – You Sexy Thing
Bei „I believe in miracles“ verstehen viele eher „Alle lieben Mirko“.
ROLAND KAISER – Santa Maria
Aus „Den Schritt zu wagen“ wird „Schnitzelwagen“.
Es ist nie zu spät, mit dem Musizieren anzufangen. Im Gegenteil: Wegen der positiven Effekte für Körper, Gehirn, Laune und Gemeinschaftsgefühl empfiehlt es sich in jedem Alter, eine Musikschule zu besuchen oder in einen Chor einzutreten. Dank dem Internet und Plattformen wie YouTube bieten sich außerdem zig Möglichkeiten für Autodidakten – seien es kostenlose Tutorials oder kostenpflichtige Kurse, die zeit- und ortsunabhängig belegt werden können. Bleibt nur die Frage, welches Instrument? Eine kleine Entscheidungshilfe:
Blockflöte: Der Klassiker der Einsteiger-Instrumente – preiswert anzuschaffen und perfekt gemeinsam mit den Kindern zu spielen.
Klavier: Fördert die Koordination, wirkt stressmindernd und lässt sich auch zu zweit spielen. Wer für die teure Anschaffung kein Budget oder nicht genügend Platz in der Wohnung hat, kann sich auch für ein Keyboard entscheiden.
Gitarre: Ob klassisch, elektronisch oder rockig – die Gitarre ist vielseitig und einfach zu transportieren. Auch trendy und beliebt wegen schneller Lernerfolge ist ihre kleine Schwester, die Ukulele.
Schlagzeug: Schult die Koordination von Händen und Füßen, hilft beim Dampf-Ablassen und verbrennt sogar Kalorien. Perfekt für Rhythmus-Fans, aber teuer in der Anschaffung und am besten in schallgedämmten Räumen aufzubauen.
Geige: Gilt als eines der schwersten Instrumente, aber ist eine lohnende Herausforderung – vor allem für Klassik-Liebhaber.
Immer noch unentschieden? Im Internet gibt es zahlreiche Tests, um herauszufinden, welches Instrument gut zu Ihnen passt. Ein humorvolles Beispiel finden Sie unter www.thomann.de/blog
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