Wer an der Bar „ein Bier, bitte“ bestellt, für den macht es auf den ersten Blick keinen großen Unterschied, welchen Bierstil der Barmann serviert. Allerdings: Stellt er dem Mann in Rosenheim dann ein kleines Pils vor die Nase oder dem Kieler eine Halbe Helles, wären beide irritiert. Was ist hier los? Ist Bier in Deutschland denn nicht gleich Bier?
Pils und Helles haben viele Gemeinsamkeiten. Ihre vielleicht größte: Beide stehen als Synonym für „Bier“, das eine im Norden und das andere im Süden der Bundesbierrepublik. Wobei der südliche Teil deutlich kleiner ausfällt – im Grunde ist eigentlich Bayern gemeint. Mehr als die Hälfte des in Deutschland getrunkenen Bieres ist Pils. Die zweite große Gemeinsamkeit von Pils und Hellem ist, dass beides Lagerbiere sind.
Das Helle ist ein relativ junger Bierstil. Grundlage für seine Entwicklung bildete die Erfindung der Kältemaschine durch Carl Linde 1873, in der Zeit der Industrialisierung. Auf dem Wiener Brauerkongress stellte er seine Idee einer Kompressionskältemaschine vor, mit der konstant gute und kalte Bedingungen für die Lagerung rein untergäriger Biere geschaffen werden konnten. Er fand in Gabriel Sedlmayer, dem Chef der Spaten Brauerei in München, sofort einen begeisterten Unterstützer. 1876 konnte Lindes Patent für seine „Ammoniak-verdichtende-Kompessionskältemaschine“ angemeldet werden und kein untergäriges Bier musste von nun an mehr unter schlechten Kühlungsbedingungen leiden.
Das Pilsener ist um die Mitte des 19. Jahrhunderts geboren, Geburtshelfer war ein Bayer: Der junge Braumeister Joseph Groll wurde in die neu gebaute böhmische Brauerei Měšťanský pivovar in Pilsen bestellt, um das in Verruf geratene böhmische Bier zu retten. Keine allzu schwere Aufgabe, fand Groll, denn einige der zu seiner Zeit besten Bierzutaten überhaupt wuchsen quasi vor der Haustür in der tschechischen Provinz Moravia: die Gerstensorten Haná und die super aromatische Hopfensorten Žatec (Saaz). Außerdem war das tschechische Wasser perfekt zum Bierbrauen, leicht sauer, wenig karbonisiert und gleichzeitig schwefelarm. Da sollte sich doch ein richtig gutes Bier zustande bringen lassen, fand der Deutsche. Ausgestattet mit viel Know-How um die den neuesten bayrischen Lagerbrautechniken und einer sauber gärenden Hefe, die er ebenfalls von „dahoam“ mitgebracht hatte, braute Groll also ein Bier. Das ließ er bei niedrigen Temperaturen in offenen Bottichen langsam gären und anschließend während der Kellerlagerung in Holzfässern reifen. Das Ergebnis, das zum Martinstag 1842 erstmals ausgeschenkt wurde, war ein Hit. Ein internationaler, ziemlich bald. Das revolutionäre goldblonde Bier bekam den Namen „Plzeňský Prazdroj“ beziehungsweise „Pilsener Urquell“ – offizielle Amtssprache im österreichisch-ungarischen Böhmen war damals nämlich deutsch. Und genauso heißt es auch heute noch.