Wener Meier
Niedergelassener Kinder- und Jugendarzt in Saarbrücken-Dudweiler in einer Praxisgemeinschaft mit seiner Frau.
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In den allermeisten Fällen isst das Kind nicht zu wenig – es ernährt sich nur anders als erwartet. Kinderarzt Dr. Werner Meier erklärt, worauf Eltern bei den Essgewohnheiten achten sollten.
Kinder haben wie Erwachsene Vorlieben und Abneigungen. Dies sollte man in der Regel akzeptieren, solange daraus keine einseitige und eindeutig ungesunde Ernährung resultiert. Und genau wie Erwachsene essen Kinder eigentlich nur, wenn sie auch Hunger haben. Das ist eben manchmal nicht um Punkt zwölf der Fall! So wünschenswert gemeinsame Mahlzeiten sind, wenn das Kind satt ist, sollte man das akzeptieren und das Essen nicht aufzwingen! Wenn man ehrlich ist, wird man sich an die eigene Kindheit und Sprüche wie: „Das wird jetzt aufgegessen“, „Wenn der Teller leer ist, gibt es morgen schönes Wetter“ und Ähnliches erinnern und das sind nicht unbedingt die angenehmsten Erinnerungen. Andererseits: Wenn ich satt bin, kann ich nicht fünf Minuten später Nachtisch oder Süßigkeiten haben wollen ...
Viele Kinder sind auch ein bisschen „kaufaul“. Sachen, die viel gekaut werden müssen, stehen auf der Beliebtheitsliste nicht ganz oben, wie z. B. Vollkornreis oder Spaghetti, wenn sie al dente gekocht wurden. Ebenso werden kleine Stücke bevorzugt – man denke nur an die Hähnchenteile der Fast-Food-Restaurants.
Kinder sind während ihres Aufwachsens bestrebt, immer selbstständiger und autonomer zu werden, von einem anfangs zu 100 % von den Eltern abhängigen Neugeborenen zu einem selbstständigen jungen Erwachsenen. Umgekehrt nimmt die anfangs unverzichtbare einhundertprozentige Fürsorge und Verantwortlichkeit der Eltern für das Neugeborene im Laufe der Zeit schrittweise ab und die Eltern müssen ihrem Kind den notwendigen Freiraum geben, bis der junge Erwachsene komplett auf eigenen Beinen stehen kann. Das ist fast regelhaft mit gewissen Friktionen zwischen Kindern und Eltern verbunden. Die Sprache kennt hier Begriffe wie Schreikind, Trotzalter, Pubertätsprobleme.
Eines der ersten Felder, wo es zu Konflikten kommen kann, ist das Essen. Die Eltern entscheiden, was das Kind zu essen bekommt – zumindest in der weitaus meisten Zeit der Kindheit. Das Kind kann aber recht effektiv das Essen verweigern, wenn es dies nicht mag, vor allem dann, wenn es keinen Hunger hat. Dies macht wiederum den Eltern Sorge, da das Kind ja was essen muss und damit wächst der Druck, das Kind zum Essen zu bewegen – der Konflikt ist da und kann sich weiter hochschaukeln. Jetzt noch weiter den Druck auf das Kind zu erhöhen, wird nur dessen Widerstand provozieren und ist nicht wirklich eine gute Idee, ebenso wie die Idee, das Kind mit Handy oder Fernsehen soweit abzulenken, dass man ihm nebenbei irgendwie das Essen beibringen kann. Wenn man isst, sollte das Essen in diesem Moment die Hauptsache sein. Essen um des Essens willen. Und nicht deshalb, weil der Fernseher läuft oder Videoclips auf dem Handy. Wenn das Kind nur isst oder sich füttern lässt, wenn es durch Fernseher oder Handy abgelenkt wird, läuft etwas verkehrt.
Wenn man als Eltern weiß, dass das Kind mit seinem Gewicht im Normbereich liegt und eigentlich bisher genug gegessen hat, kann man den Druck herausnehmen und warten, bis das Kind Hunger entwickelt und selbst essen will. Dann kann es auch wieder Spaß am Essen haben … und es kann nicht schaden, die weiter oben angesprochenen Punkte zu berücksichtigen.
Bei einer halbwegs ausgewogenen Ernährung sollten Nährstoff- und Vitaminmängel weitgehend ausgeschlossen sein. Ein Vorschlag für eine ausgewogene Ernährung ist z. B. die optimierte Mischkost (zu finden auf der Website des Forschungdepartements Kinderernährung FKE).
Aktuell müsste jedoch die Frage „Isst mein Kind zu wenig?“ eher in „Isst mein Kind zu viel?“ umformuliert werden. Ein guter Teil der Kinder ist leider übergewichtig und dies teilweise sehr deutlich! Das hat mit dem Wegfall vieler Sportangebote in der Zeit der Corona-Pandemie noch weiter zugenommen, war aber schon vorher ein Problem. Fernsehen und elektronische Medien halten Kinder vom Spielen und Toben draußen ab und verstärken den Bewegungsmangel. Süßigkeiten, zuckerhaltige Softdrinks und kalorienhaltiges Junkfood spielen in diesem Zusammenhang eine unrühmliche Rolle.
Hier müssen Eltern gegensteuern. Das ist alles andere als einfach. Aber noch viel schwieriger ist es, einmal angefuttertes Übergewicht wieder abzubauen.
Wener Meier
Werner Meier ist seit 2000 niedergelassen als Kinder- und Jugendarzt in Saarbrücken-Dudweiler in Praxisgemeinschaft mit seiner Frau.
Studium an der Universität Homburg/Saar, Ausbildung um Facharzt in Schwäbisch Gmünd und Dortmund, Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte.
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