Psychische Belastungen

Psychische Belastungen

Susanne Münnich-Hessel

Susanne Münnich-Hessel

Niedergelassene Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

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Psychische Belastungen bei Kindern – was können Eltern tun?

Von Löwenzahn- und Orchideenkindern

Kleinkindalter, Kita, Schule, Pubertät – kaum ein Kind meistert all diese Entwicklungsschritte völlig problemlos. Phasenweise sind Kinder und Jugendliche davon so stark beansprucht, dass sie psychisch darunter leiden und manchmal sogar psychisch erkranken.

Ist Ihr Kind eher wie Löwenzahn? Belastbar und pflegeleicht, so dass es auch unter den schwierigsten Umständen ausgeglichen wirkt? Oder eher wie eine Orchidee, sensibel und so empfindsam, dass es immer mal wieder psychisch belastet scheint? Oder ein Mix aus beidem? Viele Eltern fragen sich immer mal wieder: Stimmt wirklich alles mit meinem Kind? Ist das noch normal?

Junge mit Depression

Was versteht man unter psychischer Gesundheit?

Natürlich wünschen sich Eltern, dass ihr Kind sich körperlich und seelisch gesund entwickelt. Sie wünschen sich, dass es lernt, mit Rückschlägen und Problemen umzugehen und bei besonderen Belastungen nicht gleich „aus der Bahn“ geworfen wird. Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO ist psychische Gesundheit ein Zustand des seelischen Wohlbefindens. Psychische Gesundheit ist also mehr als ein „Nicht krank sein“. Psychische Gesundheit versetzt den Menschen – also auch Kinder – in die Lage, mit den alltäglichen Lebensbelastungen umzugehen und sie gut bewältigen zu können. Sie wird entscheidend davon bestimmt, ob und inwieweit sich Belastungen und Herausforderungen auf der einen Seite sowie Stärken und Ressourcen zu deren Bewältigung auf der anderen Seite im Gleichgewicht halten. Für Kinder sind die emotionale Bindung und positive Beziehung zumindest zu einem Elternteil oder zu einer zuverlässigen erwachsenen Bezugsperson von entscheidender Bedeutung für eine gesunde seelische Entwicklung und psychische Gesundheit.

Wie häufig sind psychische Krankheiten bei Kindern?

Fast jedes fünfte Kind in Deutschland erkrankt innerhalb eines Jahres an einem psychischen Leiden. Die häufigsten Störungen des Kindes- und Jugendalters sind Angststörungen, depressive und hyperaktive Störungsbilder sowie dauerhafte Verhaltensstörungen im Sinne von aufsässigem und aggressivem Verhalten. Bei Kleinkindern bis zum vierten Lebensjahr machen Entwicklungsstörungen rund 70 Prozent der psychischen Erkrankungen aus. Dies sind Probleme der Aussprache, beim Verstehen von Worten oder schwerwiegende Beeinträchtigungen der motorischen Koordination. Im Schulalter nehmen vor allem Ängste und Depressionen zu. Fast fünf Prozent der Kinder im Schulalter leiden an überdurchschnittlichem Bewegungsdrang und Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren. Auch traumatische, sehr belastende Erlebnisse in der Kindheit haben einen erheblichen Einfluss auf die körperliche, psychische und soziale Belastung eines Menschen.

Mutter umarmt ihr Kind

Wie kann ich einschätzen, was noch normal ist?

Viele Eltern finden ihre Kinder zuweilen psychisch sehr belastet und machen sich Sorgen über deren Entwicklung. Problematische Verhaltensweisen sind keine Ausnahmen, sondern gehören zur Normalität! Es ist normal, niedergeschlagen zu sein, wenn etwas Trauriges geschieht. Dann handelt es sich nicht wirklich um eine Depression. Von einer Depression spricht man erst dann, wenn die Niedergeschlagenheit so schwerwiegend und andauernd ist, dass die Betroffenen ihre täglichen Aufgaben nicht mehr ausführen und freudlos und apathisch wirken. Sie tun sich schwer, über etwas nachzudenken, ziehen sich zurück.

Angstgefühle können dann zu einer Störung werden, wenn Kinder häufig ängstlich sind – selbst wenn sie keine offensichtlichen Probleme haben –; wenn ihre Angst sich gegen etwas richtet, das gar nicht beängstigend ist, und wenn ihre Angst den Alltag sehr beeinträchtigt.

Ein weiteres häufiges Symptom sind Verhaltensstörungen. Eine Verhaltensstörung wird dann zu einem ernsten Problem, wenn das Kind wiederholt gegen viele Gesetze und Regeln verstößt und das Fehlverhalten häufig sehr schwerwiegend ist.

Bei psychischen Problemen von Kindern fragen sich Eltern oft, ob sie etwas falsch gemacht haben und ob sie dafür verantwortlich sind. Wenn Kinder psychisch erkranken, gibt es dafür jedoch in der Regel mehrere Gründe. Psychotherapeut*innen gehen davon aus, dass es zum einen die Veranlagung ist: Was ein Löwenzahnkind eher „wegsteckt“, kann für ein Orchideenkind viel schwieriger sein. Aber auch die Stärke der seelischen Belastungen und Umwelteinflüsse spielen eine Rolle.

Und was können wir dann als Eltern tun?

1. Reden Sie mit Ihrem Kind

Eltern sollten immer ernst nehmen, wenn ihre Kinder belastet, bedrückt oder im Gegenteil völlig außer Rand und Band wirken. Kinder sind sehr unterschiedlich, aber wenn sie länger als nur ein paar Tage und vielleicht sogar ohne ersichtlichen Grund anders sind, als die Eltern sie kennen, sollten sie mit den Kindern reden und sich eingehender erkundigen, wie es ihnen geht. Dafür sollten sie einen ruhigen Moment wählen, wenn die Kinder gerade nicht mit Schulaufgaben, Alltagsroutinen oder Spielen beschäftigt sind. Oft helfen schon die Anteilnahme und der Rat der Eltern.

2. Tauschen Sie sich aus

Wenn Sie sich mit anderen Bezugspersonen Ihres Kindes, z. B. den Großeltern oder Betreuungsfachkräften austauschen, stehen Sie mit Ihren Sorgen nicht mehr alleine da. Bemerken auch diese Menschen im Umfeld Auffälligkeiten, kann dies bei der Entscheidung helfen, ob Sie oder Ihr Kind das Problem selbst lösen können oder fachliche Hilfe brauchen.

3. Verschaffen Sie sich einen Überblick

Hilfreich für eine erste Beurteilung eines Problems kann zusätzlich sein, wenn Sie relativ genau bestimmen können, wie oft die Auffälligkeiten auftreten und wie stark sie ausgeprägt sind. Manchmal gibt es auch immer wiederkehrenden Phasen eines problematischen Verhaltens. Leidet Ihr Kind unter seinen emotionalen bzw. verhaltensbezogenen Veränderungen? Wirken sich die Veränderungen auf den Alltag des Kindes aus?

4. Holen Sie sich rechtzeitig Hilfe

Häufig versuchen Eltern mit ihrem Kind viel zu lange ein Problem zu lösen, bis sie sich Unterstützung suchen. Psychische Erkrankungen gehören aber durchaus zum Leben dazu und sind nichts Ungewöhnliches. Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sollten so früh wie möglich behandelt werden. Denn dann ist die Chance groß, die weitere Ausprägung zu stoppen und so zu verhindern, dass sich die Störung bis ins Erwachsenenalter fortsetzt. Wenn ein hoher Leidensdruck beim Kind besteht, sollten Sie eine Abklärung herbeiführen.

WICHTIG:

Selbstmorddrohungen oder suizidales Verhalten immer ernstnehmen und mit dem Kind zu einer kinderpsychotherapeutischen oder kinderpsychiatrischen Praxis oder in eine Notaufnahme fahren!

Mädchen bei einem Therapeut

Wo bekomme ich Hilfe, wenn ich nicht weiterkomme?

Persönlichen Rat und Hilfe finden Sie in kinder- und jugendärztlichen oder kinder- und jugendpsychotherapeutischen Praxen. Im Rahmen von psychotherapeutischen Sprechstunden wird gemeinsam mit Ihnen als Eltern eine sorgfältige Diagnose erstellt. Ziel ist es, genau zu benennen, um welche Störungsform es sich handelt. So lässt sich die Behandlung passgenau auf das Krankheitsbild zuschneiden. Das ist wichtig für den Erfolg der späteren Therapie. Liegt tatsächlich eine psychische Krankheit vor, wird ein individueller Behandlungsplan erstellt und mit psychotherapeutischen Mitteln, zum Beispiel einer Verhaltenstherapie oder einer tiefenpsychologischen Therapie, an den Problemen gearbeitet. Zusätzlich kann auch eine medikamentöse Behandlung erfolgen, wenn dies notwendig ist. Begleiten Sie die Therapie Ihres Kindes aktiv und nehmen Sie Anteil daran. Sie erhalten in der Psychotherapie dazu Anleitung und Unterstützung. Bleiben Sie in dieser schwierigen Zeit in seelischem Kontakt mit Ihrem Kind und vermitteln Sie ihm Zuversicht.

Die gute Nachricht zum Schluss: Psychische Erkrankungen sind genauso alltäglich wie körperliche Erkrankungen. Wie körperliche Erkrankungen können sie behandelt werden, in den meisten Fällen sogar sehr gut.

Tipp

Wollen Sie noch mehr über Löwenzahn- und Orchideenkinder erfahren?

Der Elternratgeber Psychotherapie der Bundespsychotherapeutenkammer gibt altersspezifische Empfehlungen für das Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. Damit Eltern sich besser vorstellen können, was in einer Psychotherapie passiert, beschreibt der Ratgeber auch einzelne Behandlungen.

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Susanne Münnich-Hessel

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Susanne Münnich-Hessel ist niedergelassene Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene.

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Kassenärztliche Vereinigung Saarland

Dieser Beitrag ist im Rahmen der Gesundheitskooperation zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland und GLOBUS entstanden. Jeden Monat finden Sie als Weltentdecker unter der Rubrik "Gesundheit & Ernährung" einen aktuellen Beitrag von Fachärzten zu relevanten Themen rund um die Gesundheit Ihres Kindes.

Weitere Gesundheitsinformationen finden Sie direkt bei der Kassenärztlichen Vereinigung.

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