DR. MED. HAGEN REICHERT
Kinder- und Jugendarzt in Homburg/Saar und Dozent für Pädiatrie an der Universität des Saarlandes.
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Für viele Familien sind die gemeinsamen Ferien der Höhepunkt des Jahres. Eine gute Planung ist sinnvoll, damit Groß und Klein vor Ort eine möglichst unbeschwerte Zeit genießen können. Kinderarzt und Reisemediziner Dr. Hagen Reichert erläutert, worauf Eltern achten sollten.
Ich weiß, ein heißes Thema, hier droht oft schon der erste Familienkrach. Aber in aller Regel kann man sich dann doch auf ein Ziel einigen. Aber welche Ziele sind für Familien mit Kindern geeignet? Müssen es die Fledermaus-Höhlen in Nord-Borneo sein (die gibt´s wirklich, schauen Sie mal nach: „Gomantong Cave“) oder reicht der Family Club auf Ibiza? Meine Aufgabe als Reisemediziner ist es, einer geplanten Reise eine so professionelle Vorbereitung angedeihen zu lassen, dass gesundheitliche Risiken so weit wie möglich vermieden werden. Meine Aufgabe ist es nicht, angepeilte Reiseziele madig zu machen. Dennoch: Gerade beim Reisen mit Kindern sollte bereits die Planung des Reiseziels sehr ernsthaft die Frage beinhalten: Geht es hier um mich, möchte ich exotische Ziele bereisen, oder möchte mein Kind viel lieber Sandburgen an der Nordsee bauen? Viele Faktoren sind bei der Planung zu berücksichtigen: Wie anstrengend ist die Anreise? Welche Gesundheitsgefahren drohen am Reiseziel? Wie sind die klimatischen Bedingungen? Die hygienischen Verhältnisse? Die medizinische Versorgung? Solche Fragen gehören schon vor der Festlegung eines Reiseziels diskutiert und allzu oft habe ich in meinen reisemedizinischen Sprechstunden sehr lange Gesichter gesehen, wenn ich auf solche Dinge hinweisen musste, und manches nicht mehr so rosig aussah, wie vielleicht vorher auf dem Hochglanz-Prospekt oder im Internet.
Oft vergessen wird auch die Absicherung der Familie durch eine Auslands-Krankenversicherung, die immer das sogenannte „Rettungsrückflug-Risiko“ mitversichern sollte. Denn: Urlauber werden regelmäßig „geschröpft“. Rechnungen von mehreren Hundert Euro für banalste Dienstleistungen sind keine Seltenheit. Und wissen Sie, was ein Rettungs-Rückflug kostet? Der Rettungs-Rückflug Mallorca-Nürnberg kostet mehr als 12.000 Euro, bei Rio de Janeiro – Düsseldorf wären Sie mit über 72.000 Euro dabei!
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Wenn endlich der große Tag da ist, auf den alle hingefiebert haben, und die Reise endlich beginnt, dann heißt es, die guten Ratschläge zu befolgen: Halte ich bei Autofahrten die notwendigen Pausen ein? Ist mein Kind im Flugzeug angeschnallt? Trinkt mein Kind genug? Achte ich auf ausreichenden Sonnenschutz? Auf Mückenschutz? Werden die grundlegenden Regeln der Lebensmittelhygiene beachtet? Denke ich an eventuell notwendige Medikamenten-Gaben, sei es wegen chronischer Erkrankungen, sei es zur Vorbeugung von Erkrankungen am Reiseziel (zum Beispiel die tägliche Einnahme der Malaria-Prophylaxe)? Werden Sicherheitsaspekte beachtet? Schwimmweste oder Schwimmflügel am Wasser? Badeschuhe im Meer? Bei Tropenreisen reichen solche Routinen bis hin zum allabendlichen Schließen des Moskitonetzes und dem morgendlichen Ausschütteln der Schuhe, in die sich über Nacht sehr gerne Skorpione einnisten. Glauben Sie nicht? Dann hätten Sie mal dabei sein sollen, als die Stachelviecher in einer unserer Urlaubs-Herbergen jede Nacht an Wand und Decke rumkrabbelten und einer meinte, meiner Frau morgens unter der Dusche Gesellschaft leisten zu müssen. Erkrankt trotz aller Maßnahmen ein Kind am Zielort, heißt es zu reagieren und lokale medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hier ist es hilfreich, wenn Adressen von „Vertrauensärzten“ und deutscher Botschaft schnell bei der Hand sind.
Nicht jede Reise bedarf einer „Nachbereitung“, das wäre übertrieben. Notwendig wird diese im Sinne eines Arztbesuches, wenn jemand im Urlaub erkrankt ist und entsprechend nachuntersucht wird oder wenn das Reiseziel und die Reisebedingungen es ratsam erscheinen lassen, gewisse Untersuchungen durchzuführen (Beispiel: Stuhluntersuchungen nach Tropenreisen). Prinzipiell sollte jedes unklare Symptom nach einem Urlaub ärztlich gesehen werden. Ein exotisches Beispiel? Eine Familie verbringt einen Urlaub im sonnigen Florida. Eines Tages wird beim Sohn der Familie ein „roter Strich“ am Arm bemerkt. Der Arzt vor Ort gibt eine Tablette, die der Familie nicht näher bekannt war, fertig. Als ich den „Strich“ nach Rückkehr sehe, ist er noch gut zu erkennen, blasst aber augenscheinlich ab. Was war das für ein „Strich“? Das war ein Gang des „Hautmaulwurfes“, der „Larva migrans“. Es handelt sich um die Larve eines Hakenwurmes, die in serpentinenartigen, stark juckenden „Gängen“ durch die Haut wandert. Die Infektion erfolgt oft an Hundekot-verseuchten Stränden. In diesem Fall war durch die einmalige Gabe des richtigen Medikamentes der Wurm abgetötet worden, eine weitere Therapie war nicht notwendig. Es handelt sich übrigens um eine der häufigsten Hautkrankheiten, mit der sich Reisende in den Tropen infizieren!
Reiseimpfungen Diese sind mir ein besonderes Anliegen, denn je nach Reiseziel ist es grob fahrlässig und eine nicht zu verantwortende Gefährdung des Kindes, die Reise ohne Impfung anzutreten.
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Die Hepatitis A, die sogenannte „Reise-Gelbsucht“ ist eine durch Wasser und Lebensmittel übertragene Erkrankung. Und glauben Sie nur ja nicht, die Qualität Ihres Hotels, selbst wenn es fünf Sterne hat, schütze Sie davor. Ein beeindruckendes Beispiel wurde uns in der Reisemedizin-Gesellschaft vor einigen Jahren berichtet: In einem Luxus-Hotel in Ägypten kam es zu einer massenhaften Infektion der Gäste mit Hepatitis. Natürlich wurde untersucht, wie so etwas möglich sein kann. Des Rätsels Lösung: Dieses Hotel achtete wirklich auf Sauberkeit. Und so wurden die Glasbehälter am Buffet, aus denen sich die Gäste frisch gepresste Säfte zapfen konnten, täglich gereinigt. Und genau über diesen Weg, über das zur Reinigung verwendete Wasser, waren die Hepatitis-Viren eingetragen worden und jedes Glas Saft war damit verseucht. Von daher rate ich bei jeder Reise in südliche Gefilde, und wenn es auch nur die beliebten Reiseziele rund ums Mittelmeer sind, zu einer Impfung gegen Hepatitis A. Die Impfung ist gut verträglich, kann bereits ab dem zweiten Lebensjahr gegeben werden und nach zwei Impfungen sollten Sie für mindestens 20 Jahre Schutz genießen.
Meningokokken sind die Erreger der bakteriellen, eitrigen Hirnhautentzündung. Eine zwar seltene, aber sehr schwer und in Einzelfällen auch tödlich verlaufende Erkrankung. Unberechenbar sind Meningokokken dadurch, dass gesunde Träger diese Erreger „verteilen“ können, ohne selbst zu erkranken. Bedeutet: Ihr Kind kann jederzeit mit einem völlig gesunden Kind spielen, das dennoch infektiös ist. Meningokokken haben zahlreiche Unterstämme, sogenannte „Serogruppen“, die je nach Weltregion sehr unterschiedlich vorkommen. Für die Reiseberatung hat man daher eine spezielle Karte zur Hand, anhand derer man für alle Regionen der Welt das Vorkommen dieser Untergruppen ablesen kann. In Mitteleuropa haben wir es am häufigsten mit Meningokokken der Gruppe B zu tun, was aber nicht bedeutet, dass andere Serogruppen nicht auch vorkommen. Von daher mein recht einfacher Rat: Wenn Sie das Beste für Ihr Kind tun wollen, lassen Sie es einfach gegen alle Untergruppen impfen. Mit zwei gut verträglichen Impfstoffen kann man Kinder mit einer Impfung gegen Meningokokken der Serogruppe B, mit einer anderen gegen die Serogruppen A,C, W und Y schützen. So geimpft, genießt Ihr Kind sowohl hier in Deutschland als auch an allen erdenklichen Urlaubszielen einen optimalen Schutz. Die Impfung gegen Meningokokken B ist ab dem vollendeten 2. Lebensmonat möglich, die Impfung gegen Meningokokken ACWY bereits nach der abgeschlossenen 6. Lebenswoche.
Je nachdem, wo Sie wohnen, ist FSME keine Reiseimpfung für Sie: Nämlich dann, wenn Sie in einem der sogenannten „Hochrisikogebiete“ wohnen. Dann sollten Sie in jedem Fall geimpft sein, denn schon der Aufenthalt im eigenen Garten kann zur Infektion führen. FSME wird durch Zecken übertragen, die übrigens nicht stechen (sie haben keinen Stachel), sondern beißen (Blutsauger) und die auch keine Insekten sind, sondern als Milben zu den Spinnentieren gehören. Sollte Ihre Reise Sie also in eines der Hochrisikogebiete führen (Karten können Sie unter www.zecken.de einsehen), dann wird diese Impfung zur Reiseimpfung. Beliebte Feriengebiete, für die Sie die Impfung benötigen, sind zum Beispiel der Schwarzwald, der Bayrische Wald und Oberbayern.
Sie sollten diese Krankheit nicht unterschätzen: Die meisten Verläufe sind sehr milde, in Einzelfällen kann es aber zu schwersten Verläufen mit Bewusstseinsstörungen und Lähmungen kommen. Die Impfung gegen FSME ist ab dem zweiten Lebensjahr möglich.
Die Impfungen gegen diese Erkrankungen sind vor allem dann indiziert, wenn es in subtropische und tropische Gebiete gehen soll. Besonders dann, wenn dort zweifelhafte hygienische Verhältnisse herrschen. Beides sind bakterielle Erkrankungen, die über verseuchtes Wasser oder verunreinigte Lebensmittel übertragen werden und einerseits zu massiven Durchfällen, aber auch zu schwer verlaufenden Allgemeininfektionen führen können.
Gegen beide Erkrankungen stehen gut verträgliche Impfstoffe zur Verfügung. Die Impfung gegen Cholera (übrigens eine Trink-Impfung, die Sie sich zu Hause aus zwei Pülverchen selbst zusammenbrauen) wird sich der erfahrene Reisemediziner immer sehr leicht machen. Warum? Nun, diese Impfung hat ausnahmsweise mal eine erwünschte Nebenwirkung, auch das gibt´s! Die Cholera-Impfung schützt nämlich nicht nur gegen Cholera, sondern verstärkt auch spürbar die Abwehr des Darms gegen andere Sorten von „Montezuma´s Rache“, also gegen sonstige Magen-Darm-Infektionen. Beide Impfungen sind ab dem zweiten Geburtstag möglich.
Die Impfung gegen Tollwut haben viele als Reiseimpfung nicht auf dem Schirm. Für den Standardurlaub an der Costa Brava oder auf Mallorca werden Sie diese Impfung in aller Regel auch nicht brauchen. Das ändert sich, sobald es in Länder der dritten Welt geht. Dort steht nämlich allzu oft das Immunserum, das Sie im Falle eines Tierbisses benötigen, nicht zur Verfügung, in manchen Fällen sogar weder Antiserum noch Impfstoff. Das bedeutet, wenn Sie in einem solchen Land der streunende Hund beißt, müssen Sie sofort in ein Land ausfliegen, in dem Immunserum und Impfstoff zur Verfügung stehen, und das kann im Einzelfall riesige Probleme aufwerfen. Oft mangelt es auch am nötigen Risikobewusstsein örtlicher Einrichtungen: Vor einigen Jahren wurde uns der tragische Fall einer niederländischen Studentin berichtet, die in einem ostafrikanischen Land von einem Tier gebissen wurde. Pflichtbewusst suchte sie eine Sanitätsstation auf, in der die Wunde versorgt wurde, eine Tollwutimpfung sei nicht notwendig, da Tollwut in dieser Gegend nicht vorkomme. Da die Tollwut eine extrem lange Inkubationszeit hat, konnte sie nichtsahnend ihren Urlaub zu Ende bringen, ist aber tragischerweise nach Rückkehr in die Niederlande an der Tollwut verstorben. Die Impfung gegen Tollwut unterliegt keiner Altersbeschränkung, da es im Falle eines Tierbisses selbstverständlich auch möglich sein muss, einen Säugling oder ein Kleinkind zu impfen.
Diese Krankheit kennen viele nicht einmal dem Namen nach, erfahren dann aber zu Ihrer Überraschung, dass sie im angepeilten Urlaubsland geimpft sein sollten. Es handelt sich, vergleichbar der FSME, um eine Virus-Hirnhautentzündung, die in diesem Fall aber nicht durch Zecken, sondern durch Stechmücken übertragen wird. Auch diese Erkrankung verläuft in vielen Fällen recht harmlos, in einem von etwa 250 Fällen kommt es jedoch zu einem schweren Verlauf, der bei etwa jedem dritten Patienten tödlich endet. Die Impfung gegen Japanische Enzephalitis ist ab dem dritten Lebensmonat möglich.
Gelbfieber, auch „Dschungelfieber“ genannt, kommt ausschließlich in Afrika und Südamerika vor. Es handelt sich um eine Mücken-übertragene Virusinfektion, die einerseits grippale Symptome mit Fieber und Erbrechen hervorruft, die aber in etwa 15 % der Fälle einen schweren Verlauf mit inneren Blutungen und einer hohen Sterblichkeit nehmen kann. Bei der Aufklärung für die Gelbfieberimpfung nehme ich immer das „hässliche“ vorneweg: „Ich muss Sie darüber aufklären, dass Sie auch an der Impfung versterben können“. Jetzt ist aber keine Panik angesagt: Das Risiko für schwere Nebenwirkungen oder sogar solche mit Todesfolge liegt bei etwa 1:8 Millionen und ist von daher nicht mit dem Risiko vergleichbar, das der Reisende hat, wenn er ohne Impfung ein Gelbfieber-Gebiet besucht. Es besteht hier, genau wie bei der Impfung gegen das Coronavirus, eindeutig eine „positive Nutzen-Risiko-Bewertung“. In vielen Fällen werden Reisende auch keine andere Chance haben, als sich impfen zu lassen, da bei Einreise in viele Zielländer die Impfung nachgewiesen werden muss. Die Gelbfieber-Impfung ist ab dem 10. Lebensmonat möglich, sie darf nur von ausgewiesenen Gelbfieber-Impfstellen durchgeführt werden.
Hier möchte ich Ihnen einen ganz einfachen Merksatz mit auf den Weg geben, den ich meinen Studentinnen und Studenten auch in jeder Vorlesung präsentiere, dort allerdings unterlegt mit deftigsten Bildern internationaler Spezialitäten wie „Balut“, angebrütete Hühner- und Enteneier aus Südostasien, oder „Surströmming“ aus Schweden, vergorener Hering, bei dessen Geruch die meisten von uns schon das Weite suchen. Hier nun der Merksatz: „Cook it, boil it, peel it or forget it!“. Bedeutet: So ziemlich alles, was gekocht, gebraten, frittiert, gegrillt oder sonst wie desinfiziert wurde, können Sie essen. Und bei Früchten gilt das „peel it“, das Schälen. In tropischen Regionen eine Frucht nur zu waschen, kann unangenehme Folgen haben, denn oft wird sie dann gerade durch das verwendete Wasser kontaminiert.
DR. MED. HAGEN REICHERT
Dr. Reichert ist Arzt für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Schwerpunkt Kinderkardiologie in Homburg/Saar und Dozent für Pädiatrie an der Universität des Saarlandes. Nach langjähriger Tätigkeit in der Giftnotrufzentrale des UKS Homburg war er 12 Jahre lang Obmann der Notdienstpraxis für Kinder und Jugendliche in Homburg. Er besitzt die Fachkunde „Arzt im Rettungsdienst“ und ist neben seiner Praxistätigkeit regelmäßig als Vertragsarzt für das Regional Health Command der United States Army in Landstuhl und als Reservearzt im Rang eines Oberfeldarztes im Sanitätsdienst der Bundeswehr tätig.
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