Prokrastination

So klappt es ohne Aufschieben

Was ich heut‘ besorgen kann, fang‘ ich nicht an… Dinge aufzuschieben ist einfach herrlich bequem – aber leider nur für kurze Zeit. Wir packen’s jetzt an und verraten Ihnen, wie wir klug mit Aufschieberitis umgehen und wie wir die Dinge endlich geregelt kriegen.

Illustration Chaos zuhause

Wenn Sie das lesen, kennen Sie bestimmt das eine oder andere Gefühl, das wir Aufschieber miteinander teilen. Den Unwillen, mit der Steuererklärung anzufangen – ist ja noch ewig Zeit (bis plötzlich keine mehr ist). Der Gedanke, dass doch mal wieder die Mülleimer ausgewischt werden müssten (anstatt den viel dringenderen Zahnarzttermin zu vereinbaren). Kommt Ihnen etwas davon bekannt vor? Willkommen im Club! Treten Sie ein, hier sind alle Aufschieber willkommen. Unsere Steckenpferde sind chronische Vergesslichkeit, akute Unlust, konsequentes Wegsehen oder produktives Erledigen von allem, nur nicht vom Wichtigsten. Unser gemeinsames Phänomen hat einen Namen: Prokrastination. Es bedeutet, Erledigungen und Aufgaben so lange aufzuschieben, bis wir unter dem Druck und Stress der letzten Minuten ernste Konsequenzen fürchten müssen. Oder manche Dinge nicht geregelt zu bekommen, die für andere überhaupt kein Problem sind. Die Beweggründe dafür sind höchst unterschiedlich: Wir schieben Dinge auf, die wir nicht mögen, auf die wir keine Lust haben, deren Sinn wir nicht verstehen, die uns zu kompliziert erscheinen, ängstigen, nerven, die noch Zeit haben und die uns zu anstrengend sind. Wen das alles nicht stört, fein: Der kann so weitermachen. Doch wer sich wünscht, Dinge endlich geregelt zu bekommen, sollte seine Absichten bewusst hinterfragen. In den Gründen für das Aufschieben steckt nämlich der Schlüssel für die Lösung: Wenn wir herausfinden, was uns von der Erledigung abhält, können wir genau dort ansetzen. Denn es gibt für alles Tipps, Pläne und Strategien, wir müssen sie nur kennen und verstehen – dann können wir Wege für einen neuen Umgang finden.

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Ich schiebe auf, also bin ich? Hier finden Sie einen Selbsttest der Freien Universität Berlin und Universität Münster.

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Welche negativen Effekte hat Prokrastination auf uns?

Die meisten kennen den unnötigen Stress, die Angst und das schlechte Gewissen, das kurz vor Schluss entsteht. Manche verdrängen die Aufgabe vorher einfach oder vergessen sie durch mangelnde Organisation komplett, andere denken unbewusst immer wieder mit schlechtem Gewissen und negativen Gedanken darüber nach und fühlen sich schlecht, ändern aber doch nichts. Sogar psychosomatische Symptome wie Bauchschmerzen können auftreten, wenn wir wieder einmal etwas verbummelt haben und Konsequenzen für uns drohen, wir um Aufschiebung bitten oder sogar jemanden enttäuschen müssen. Prokrastination kann sogar so weit gehen, dass Menschen ernsthaft ihre Arbeitsstelle, ihren Studienplatz oder andere wichtige Lebensbereiche gefährden. Experten sprechen dann von pathologischem Aufschiebeverhalten, das oft in Zusammenhang mit Erkrankungen wie ADHS oder Depressionen einhergeht und professioneller psychologischer Unterstützung bedarf.

Traurige Frau

Warum schieben wir Dinge auf?

Viele glauben, Prokrastination sei schlicht Faulheit. Doch so einfach ist es nicht: Es gibt zahlreiche individuelle Gründe, die dahinterstecken können. Diesen zugrunde liegen mitunter ein geringer Selbstwert und etwas, das Experten erlernte Hilflosigkeit nennen: ein mangelndes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Herausforderungen zu bewältigen.

Einige der häufigsten Gründe für Aufschieberitis

  • Komplexität oder Umfang einer Aufgabe (Überwältigung)
  • Mangelhafte Selbstorganisation und Vergesslichkeit
  • Angst vor Unzulänglichkeit, Versagen und Kritik
  • Mangelnde Konzentrationsfähigkeit
  • Unzureichendes Zeitmanagement
  • Widerwillen und Unlust
  • Aufbegehren gegen feste Vorgaben
  • Leicht zugängliche Ablenkungen
Überarbeiteter Mann am Laptop

Ein weiteres Problem:

Während die schönen Alternativen schnelle Belohnung versprechen, liegen die negativen Konsequenzen des Aufschiebens oft weit in der Zukunft. Da ist es klar, wofür sich chronische Aufschieber entscheiden! Vielen fehlt dann eine überzeugende Notwendigkeit – warum jetzt schon anfangen, wenn doch noch wochenlang Zeit ist? Erst kurz vor Schluss baut sich immer mehr Druck von außen auf (zum Beispiel Abgabetermine), den manche regelrecht brauchen, um loszulegen. Der Antreiber ist dann nicht die eigene Willenskraft, Überzeugung oder Motivation, sondern Angst. Wenn wir uns das eingestehen, müssen wir uns fragen: Will ich wirklich meine Angst über mein Leben bestimmen lassen – oder es selbst in die Hand nehmen?

Wie können wir die Aufschieberitis angehen?

Es stimmt: Viele Aufgaben machen erstmal keinen Spaß. Aber erledigen müssen wir sie trotzdem! Wie schaffen wir das? Indem wir sie für unser Gehirn attraktiver machen und sie so aufteilen, dass sie leichter zu bewältigen sind. Hier sind vier Tipps, die helfen können.

1. Mit Freude verknüpfen

Der simpelste Tipp: Tun Sie sich etwas Gutes, wenn Sie an der Aufgabe arbeiten. Das kann eine Tasse Lieblingstee sein, laute Musik oder eine Belohnung, die sich selbst schenken. Hauptsache, Sie verknüpfen die unbequeme Tätigkeit mit etwas Schönem! Auch gut: Einen Timer stellen oder nur die Hälfte von dem vornehmen, was eigentlich geschafft werden sollte – denn ein bisschen ist besser als gar nichts.

2. Anti-Prokrastinations-Tag

Ebenfalls hilfreich kann es sein, einen festen Tag pro Woche für die imaginäre oder schriftlich festgehaltene Ich-müsste-mal-wieder-Liste zu nutzen. Zum Beispiel gehen Sie dann immer mittwochs eine Aufgabe davon an – am besten mit Timer für 15, 20 oder 30 Minuten, damit Sie ein klares Ende oder eine Pause in Sichtweite haben.

3. Kleine Schritte, große Wirkung

Wir Aufschieber brauchen einen Plan! Oder besser noch: Gleich mehrere davon. Hilfreich für kleine und große Projekte sind Organisationsmethoden wie zum Beispiel Getting Things Done (GTD) nach David Allen. Dabei werden alle Aufgaben in möglichst kleine Teilaufgaben aufgesplittet, notiert und strukturiert. Egal ob es darum geht, die Steuererklärung zu machen oder ein Geburtstagsgeschenk zu besorgen – alle Aufgaben des täglichen Lebens werden hier erfasst und in mundgerechte Häppchen unterteilt. Das bedeutet nur auf den ersten Blick mehr Arbeit, mittel- und langfristig aber, dass die Wahrscheinlichkeit massiv steigt, überhaupt mit einer Aufgabe zu beginnen und sie in mehreren kleinen Etappen zu bewältigen. Ganz wichtig sind die ersten Schritte: Sie sollten so klein, leicht und schnell wie möglich sein, damit wir überhaupt erst anfangen. Denn wenn wir erst einmal anfangen und erste Teilerfolge erreichen, bleiben wir leichter dran.

4. Abstellen, was ablenkt

Was machen Sie eigentlich, wenn Sie prokrastinieren? Unter uns Aufschiebern gibt es ganz verschiedene, typische Ausweichtätigkeiten: auf Instagram scrollen, Serien bingen, Freunde treffen, in Zeitschriften blättern oder die Badezimmerfliesen schrubben. Doch wenn wir erkennen, was uns ablenkt, sind wir der Lösung schon näher. Denn ist das Handy in Reichweite mit einer bestimmten Handlung verknüpft, führen wir sie aus – häufig sogar, ohne darüber nachzudenken. Solche Gewohnheiten können uns deshalb von dem abhalten, was wir eigentlich machen wollten oder sollten. Unsere individuellen Auslösereize sollten wir deshalb genau untersuchen und dann verändern, umgehen und neue etablieren. Zum Beispiel jeden Tag direkt nach dem Mittagessen für zehn Minuten an einer Aufgabe arbeiten – und dabei kein Handy in greifbarer Nähe haben.

Bildnachweis: Shutterstock

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