Dankbarkeit

Auf der Suche nach dem Glück

Dankbarkeit ist populär, doch ihre positiven Effekte werden oft unterschätzt. Wir zeigen Ihnen den Glücksbooster für jede Lebenslage – egal ob wir gerade happy sind oder mitten in einer Krise stecken, wie unsere Autorin sie erlebt hat.

Im Alltag stelle ich oft fest, dass es mir an Dankbarkeit fehlt. Mir fällt es erstaunlich leicht, mich über etwas zu beschweren und mir etwas anderes zu wünschen als das, was ich gerade habe. Ich lebe und meckere manchmal auf so hohem Niveau, dass ich nicht mehr das Schöne im vermeintlich Selbstverständlichen erkenne. Und ich bin sicher, das geht nicht nur mir so. Dankbarkeit scheint uns manchmal sehr weit weg, dabei ist sie kein modernes Phänomen. Schon seit Tausenden von Jahren wird ihr ein hoher Stellenwert beigemessen und sie gilt in vielen Religionen als wichtige Tugend. Doch in den letzten Jahren ist ein regelrechter Hype ausgebrochen, ähnlich wie beim Thema Achtsamkeit. Vor Kurzem habe ich mich anstecken lassen und begonnen, ein Dankbarkeitstagebuch zu führen: Fast jeden Abend notiere ich in Stichpunkten oder Halbsätzen, für welche Erlebnisse, Situationen oder Menschen ich an diesem Tag dankbar bin. Das kann etwas sein wie der schöne Ausflug in den Tierpark, das Singen beim Autofahren oder dass ich einen persönlichen Text über Dankbarkeit schreiben kann. Es klingt fast zu simpel, um wahr zu sein – doch wie gut es tut, den Tag aus diesem Blickwinkel kurz Revue passieren zu lassen und auch im Moment des Schreibens in sich hineinzuspüren, habe ich wirklich unterschätzt. Denn Dankbarkeit ist kein starres Pflichtprogramm, sondern eine tiefe Emotion. Es geht ums Fühlen, nicht ums Denken. Sich in einen bestimmten Moment hineinzuversetzen und die schönen Gefühle noch einmal zu erleben, ist viel intensiver als ein flüchtiger Gedanke. Ich kann denken: Ja, klar bin ich dankbar für meine Gesundheit. Oder aber ich kann es fühlen: Ich kann atmen, laufen, mich bewegen. Meine Finger können diesen Text tippen, mein Gehirn diese Gedanken denken. Ich brauche keine Medikamente, ich habe keine lebensbedrohliche Krankheit. Ich bin wirklich dankbar für meine Gesundheit. Denn sie ist nicht selbstverständlich.

Dankbarkeit bewirkt, dass wir uns gut fühlen mit dem, was ist. Kurz gesagt: Die Welt mit dankbaren Augen zu sehen, macht unser Leben schöner. Dankbarkeit kann also sowohl unser eigenes Wohlbefinden beeinflussen als auch das von anderen. Es gibt Studien, welche die Wirkung von Dankbarkeit anderen gegenüber untersuchten: Diverse Versuchspersonen sollten einen Dankesbrief an einen lieben Menschen verfassen. Einige waren dadurch so sehr in die Emotion eingetaucht, dass die positive Wirkung auf das eigene Glück sowie auf die Stimmung und Lebenszufriedenheit teilweise über Monate anhielt: Echte Dankbarkeit gegenüber anderen stärkt nicht nur zwischenmenschliche Beziehungen, sondern erhöht auch das eigene Wohlbefinden. Das spüren wir doch auch manchmal im Alltag: Wenn wir jemandem wirklich in die Augen schauen, lächeln und uns aufrichtig bedanken, fühlt sich das viel besser an als eine eingeübte Höflichkeitsfloskel wie ein schnelles Danke.

Illustration schreiben

Wie mir Dankbarkeit durch die Krise half

Das Tagebuch zu starten, war eine spontane Idee. Es fühlt sich gut an, Dankbarkeit im Alltag und nicht nur in Krisenzeiten zu praktizieren – denn damit habe ich sie bisher gedanklich verknüpft. Wann es wirklich begann, weiß ich nicht mehr. Was ich und andere irgendwann bemerkten, waren ständige Unruhe, Unkonzentriertheit, Überforderung und Gereiztheit. Was ich selbst bemerkte und anderen nicht zeigte, waren Verzweiflung, Angst, emotionale Abstumpfung und die Unfähigkeit, tiefe positive Gefühle zu empfinden. Ich fühlte mich ständig getrieben, bekam Herzrasen und wurde kurzatmig beim Autofahren. Die Depression hatte sich über Monate in mein Leben geschlichen, sich in meinen Gedanken und meinem Körper eingenistet, bis sie plötzlich voll da war und mich umgehauen hat. Ich habe sie so lange ignoriert, verdrängt und bekämpft, bis sie mich gezwungen hat, meine Sichtweise auf mich und mein Leben zu hinterfragen. Zu lernen, auf meinen Körper zu hören und endlich mehr zu fühlen als zu denken.

Dankbarkeit habe ich an den Tiefpunkten sicher nicht empfunden, sondern tiefe Verzweiflung. Dass es mir schlecht geht, obwohl ich doch objektiv so viel habe. Dass ich doch eigentlich froh sein müsste und mich dadurch nur noch schlechter gefühlt habe. An dieser Stelle möchte ich deshalb klarstellen: Dankbarkeit ist eine hilfreiche Strategie und wird in zahlreichen Therapien eingesetzt, aber sie ist kein Allheilmittel. Wer gerade leidet, braucht Unterstützung und Anteilnahme, keine leichtfertigen Ratschläge oder lediglich den gut gemeinten Hinweis, doch mal ein Dankbarkeitstagebuch zu starten. Der erste Schritt, besser durch eine Krise zu kommen, ist, den Zustand anzunehmen, wie er ist. Erst dann kann sich der Blick für Lösungsmöglichkeiten öffnen. Was ich damals lernen musste, war: Das Negative nicht verdrängen, sondern es anerkennen, mehr für mich selbst sorgen und aktiv nach dem Guten suchen. In Büchern, Podcasts, Therapiegesprächen, Yoga und Meditation. Ich merkte: Ich bin verantwortlich für meine negativen Gedanken, wie ich mit einer Situation umgehe und sie bewerte. Ein Satz von Lifecoach Tony Robbins hat mich damals umgehauen: „You can’t be fearful and grateful at the same time – du kannst nicht gleichzeitig ängstlich und dankbar sein.“ Also habe ich begonnen, die kleinen Fortschritte und Glücksmomente mehr wertzuschätzen. Dankbar zu sein für die Zeit, die ich mir endlich nehmen konnte, um meine Gedanken, Gefühle und mein Leben zu ordnen. Dankbar für die Erfahrung, so viel über mich zu lernen.

"Ich wähle, das Gute zu sehen."

Dass Dankbarkeit akute depressive Symptome lindern kann, gilt heute als bewiesen. Es gibt ebenso zahlreiche Hinweise darauf, dass regelmäßig praktizierte Dankbarkeit dazu führen kann, dass wir uns weniger gestresst fühlen, seltener an Depressionen, Sucht oder Burn-Out erkranken und Krisen besser bewältigen können. Wer Dankbarkeit praktiziert, schüttet Dopamin und Serotonin aus. Sie vermindert die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol, kann den Schlaf verbessern und negative Gedanken verringern. Dankbarkeit lässt sich trainieren wie ein Muskel, wodurch wir uns nicht nur im Moment der praktizierten Dankbarkeit wohlfühlen, sondern grundsätzlich zufriedener werden können. Doch wie kann das tatsächlich gelingen? Wir alle haben schließlich unser Päckchen zu tragen, Aufgaben zu erfüllen, Abgründe zu überwinden. Dankbarkeit bedeutet nicht Schönreden: Wenn sich etwas furchtbar anfühlt, dann ist es so. Es gibt aber nicht nur Schwarz oder Weiß, sondern auch immer Bunt. Der Unterschied ist: Ich wähle, das Gute zu sehen. Nicht immer, nicht in jedem Augenblick. Aber wenn ich reflektiere, nachdenke, fühle, kann ich in vielen Situationen etwas erkennen, was für mich wichtig und wertvoll ist. Dankbarkeit zu praktizieren ist genau das: die Suche nach dem Glück, das bereits da ist.

Das dem richtigen Weg

Der letzte Lockdown-Winter hat mich und zahlreiche andere psychische Anstrengung gekostet, die aufzubringen war, um nicht in dieser Es-wird-sich-jadoch-nichts-ändern-Stimmung zwischen Angst und Apathie steckenzubleiben. Mit etwas mehr Dankbarkeit wäre die Krise nicht weg gewesen, aber ich wäre besser durchgekommen. Denn sobald ich aufhörte, mich täglich mit den News zu beschäftigen, und mich mehr auf das Positive und Machbare in meinem engen Umfeld konzentriert habe, ging es mir besser. Sobald ich begann, dankbarer für die Dinge zu sein, die immer noch da waren und die ich vorher zu oft für selbstverständlich hielt. Die Gefühle von Ohnmacht und Wut waren dadurch nicht weg, aber sie lasteten nicht mehr so schwer auf mir. Ich will nicht alles schönreden und manchmal tut es einfach gut, dem eigenen Unmut Luft zu machen. Aber ich weiß: Mich dauerhaft zu beschweren, hilft niemandem weiter und schadet am meisten mir selbst. Ich kann manche Dinge nicht ändern, aber meine Sichtweise. Das Leben ist ein Geschenk. Ich nehme es an, mit all seinen schönen und hässlichen Überraschungen. Ich sorge gut für mich selbst und besinne mich auf das, was da ist. Ich hole mir Hilfe, wenn ich nicht mehr kann. Ich will glücklich sein – und deshalb wähle ich, dankbar zu sein.

Tipp

Das Gute suchen

Sie denken über Dankbarkeit nach und Ihnen fallen stattdessen lauter Dinge ein, die Sie nerven? Sie gehen zum Beispiel momentan nicht gern zur Arbeit? Dann machen Sie sich doch mal die positiven Aspekte bewusst, wie die netten Kollegen, die Erfahrung, die Sie im Job sammeln, oder dass Sie Ihre Rechnungen bezahlen können. Es gibt meist mindestens einen guten Aspekt an Dingen, die wir nicht gut finden.

Illustration Familie beim Essen

Mehr Dankbarkeit im Familienalltag

Leben Sie Ihren Kindern Dankbarkeit vor und reden Sie auch schon mit den Kleinen über Ihre Wertschätzung für das leckere Essen, den schönen Ausflug oder Ähnliches. Achten Sie darauf, nicht nur materielle Dinge zu nennen, sondern auch Ereignisse, Gesundheit oder schöne Momente.

Lassen Sie beim Abendessen die Kinder erzählen, was heute besonders schön war und wofür sie heute dankbar sind, und berichten Sie auch selbst von Ihrem Tag.

Fragen Sie beim Schlafengehen Ihre Kinder, was sie Tolles erlebt haben, und vielleicht auch, worauf sie sich am nächsten Tag freuen.

Tipp

Kindern Dankbarkeit näher bringen

Für Kinder ist Dankbarkeit oft noch nicht so greifbar, daher können einige Fragen helfen, das Thema verständlicher zu machen:

  • Was fandest du heute besonders schön?
  • Was hat dir viel Spaß gemacht?
  • Was war das Beste in der Schule/im Kindergarten?
  • Interview

    Das Jahr in Dankbarkeit abschließen

    Wir haben mit Daniela Bradl über die Bedeutung der Rauhnächte gesprochen. Sie begleitet seit einigen Jahren Menschen durch diese besondere Zeit, in der auch Dankbarkeit eine wesentliche Rolle spielt.

    Was sind Rauhnächte?

    Die Rauhnächte bezeichnen die zwölf Tage und Nächte zwischen den Jahren ab dem 25. Dezember bis zum 5. Januar. Nach altem Brauchtum werden den Tagen besondere Kräfte zugesprochen. Das klingt vielleicht esoterisch, ist aber überhaupt kein Hexenwerk. Es ist einfach aus der Tradition heraus entstanden, dass die Menschen in früheren Zeiten Haus und Hof schützen sowie böse Geister vertreiben wollten.

    Und worum geht es in den Rauhnächten?

    Während der Rauhnächte geht es vor allem um die innere Einkehr, Rückzug und Besinnung. Es ist eine Zeit, die man wunderbar nutzen kann, um sich um sein seelisches Wohlbefinden zu kümmern. Die zwölf Rauhnächte stehen jeweils unter einem bestimmten Thema und sind einem Monat des kommenden Jahres zugeordnet. Meist steht in den ersten sechs Rauhnächten im Fokus, auf das Jahr zurückzuschauen, festzuhalten, was es mir gebracht hat, Altes abzuschließen und loszulassen. In der zweiten Hälfte nach dem Jahreswechsel geht es darum, nach vorne, auf das neue Jahr zu blicken. Je nach Anleitung sind die Themen etwas anders angeordnet, die Inhalte sind jedoch immer gleich, zum Beispiel Vergangenheit und Zukunft, Reinigung, Kreativität, Loslassen, Lebensfreude, Freundschaft oder Vision.

    Welche Rolle spielt dabei Dankbarkeit?

    Dankbarkeit ist für mich persönlich sehr wichtig: Ich nehme mir die Zeit zu schauen, was mir im vergangenen Jahr gutgetan hat und was nicht. Außerdem können wir uns fragen, für welche Ereignisse wir dankbar sind, welchen Menschen wir dankbar sind. Ich finde, dass wir tiefe, ehrliche Dankbarkeit nur empfinden können, wenn wir uns selbst reflektieren. Wenn ich die Rauhnächte begehe, dann bin ich auch für Situationen dankbar, die im ersten Moment nicht schön für mich waren, sich jedoch im Laufe des Jahres als gut erwiesen haben. Auch das gehört dazu.

    Wie legen wir am besten los?

    Wenn man erst mal reinschnuppern möchte, dann empfehle ich ein kleines Büchlein zum Einlesen – wie zum Beispiel „Das Geheimnis der Rauhnächte“ von Jeanne Ruland. Das ist hilfreich, um sich einen Überblick zu verschaffen. Und ich lege allen ans Herz, sich ein Traumtagebuch anzulegen. Viele Menschen träumen während der Rauhnächte intensiver und es kann hilfreich sein, sich die Träume aufzuschreiben, um sich später damit zu beschäftigen. Mithilfe von Räuchersets, Büchern oder Onlinekursen lassen sich die Rituale unter Anleitung ausprobieren und praktizieren. Da gibt es viele Möglichkeiten. Für alle, die noch etwas tiefer einsteigen wollen, biete ich zum Beispiel kleine Rauhnachtsets an – mit dem Thema der Rauhnacht, einem kleinen Ritual und einer passenden Räuchermischung. So werden auch Einsteiger gut mitgenommen und durch die Rauhnächte geführt. Das Räuchern sollte man allerdings schon mögen.

    Was ist denn das Besondere am Räuchern?

    Viele sind dem gegenüber skeptisch, aber ich sage immer: Räuchern ist nichts anderes als Teetrinken. Genauso wie beim Tee werden beim Räuchern durch Wärme ätherische Öle aus den Pflanzen herausgelöst. Und diese Düfte helfen unserem seelischen Wohlbefinden. Das ist eine einfache Reaktion des Körpers auf die ätherischen Öle. Und ob man daran glaubt oder nicht, die Wirkung gibt es gratis dazu.

    Bildnachweis: Shutterstock

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